Der Mensch: ein Dreck

Haymon Maria Buttinger (m.) als "Woyzeck" und Ensemblemitglieder.
Büchners „Woyzeck“ mit Tom Waits’ Musik im Volkstheater.

Der Mensch ist auch nur ein Tier, das im Dreck sitzt, Dreck frisst, wie Dreck behandelt wird. Aus Dreck bist du geschaffen, zu Dreck sollst du werden: So kann man Georg Büchners Dramenfragment „Woyzeck“ auch lesen.

Volkstheater-Hausherr Michael Schottenberg hat das Stück in der Fassung von Robert Wilson mit der Musik von Tom Waits und Kathleen Brennan inszeniert, dabei aber einen ganz eigenen Weg gefunden. In expressionistischen, harten Bildern erzählt er die (auf wahren Kriminalfällen beruhende) Geschichte um den kleinen, geschundenen Soldaten Woyzeck, der seine untreue Geliebte Marie ermordet, nicht als Eifersuchts- oder Sozialdrama, sondern als Gleichnis auf die menschliche Existenz an sich.

„Woyzeck bête“ steht zu Beginn quer über den Vorhang gesprayt: Woyzeck, die Bestie, das Tier. Nicht nur Woyzeck, sondern auch alle anderen Personen sind hier Bestien ohne freien Willen oder Moral, die im Vorhof eines dreckigen Schlachthofs (Bühne: Hans Kudlich) verzweifelt in der Erde wühlen.

"Woyzeck"-Szenenfotos

Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"
Der Mensch: ein Dreck

FOTOPROBE: "WOYZECK"

Songs

Hauptdarsteller des Abends sind die düster swingenden Songs von Tom Waits und seiner Frau Kathleen Brennan, die vom Ensemble ausgezeichnet gesungen und von der Band (Leitung: Imre Lichtenberger-Bozoki) erstklassig interpretiert werden. Dass die englischen Texte schwer verständlich sind, stört nicht – denn die Lieder erzählen die Handlung eher atmosphärisch als textlich.

Die Musik hat in dieser Inszenierung eine entscheidende Funktion: Sie füllt die Lücken zwischen Büchners Textfragmenten, sie macht aus Figurenskizzen echte Menschen, ist dabei aber nie geschwätzig, sondern präzise. Dass man sich am Ende kaum noch vorstellen kann, „Woyzeck“ je ohne diese Musik gesehen zu haben, spricht für das Genie von Tom Waits. Seine eigenen Alben – apokalyptischer Albtraum-Blues irgendwo zwischen Dylan und Kurt Weill – seien hier nachdrücklich empfohlen.

Haymon Maria Buttinger ist ein tierhafter, früh vergreister Woyzeck, der sich infolge der Menschenversuche, die der Doktor (gespenstisch: Ronald Kuste) mit ihm unternimmt, in die verdreckten Jogginghosen macht. Historisches Detail: Diese Menschenversuche – Soldaten durften monatelang nur Erbsenbrei essen, mit schweren psychischen und körperlichen Folgen – gab es tatsächlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

Das Ereignis des Abends ist die wunderbar singende und spielende Hanna Binder als verzweifelt um eine winzige Ahnung von Glück kämpfende Marie. Die Schluss-Szene – ein zarter Kuss, der langsam in einen Mord übergeht – ist beeindruckend. Ebenfalls gut: Thomas Kamper als untoter Hauptmann, Christoph F. Krutzler als Berg von einem Tambourmajor, Tany Gabriel als Bass spielender Andres, Susa Meyer als verlebte Margreth, Matthias Mamedof als Kind in Windeln, Thomas Bauer als Ausrufer und die Beatboxerin Sara Siedlecka, die das Geschehen rhythmisch kommentiert.

Jubel vom größeren Teil des Publikums, der kleinere floh schweigend.

KURIER-Wertung:

Kommentare