Der Kunstkritiker des Guardian, Jonathan Jones, war angesichts der Neuhängung der Sammlung wenig angetan: „Dies ist nun das Museum, in dem die Kunst sich schlafen legt“, urteilte er.
Mr. Jones war in der Londoner Tate Britain, dem zentralen Ort für historische britische Kunst. Er könnte auch in der Landesgalerie Niederösterreich in Krems gewesen sein.
Neupräsentationen von Kunstsammlungen sind gerade an vielen Orten angesagt – neben aufwändiger gewordenen Kunsttransporten ist eine verschärfte Diskussion darüber, welche Teile der Bevölkerung sich in einem Museum wiederfinden, der Grund dafür.
Dass der Konsens darüber, was eine Gesellschaft für relevant erachtet, ständig neu ausverhandelt werden muss, scheint sich aber nicht bis in die Landessammlungen Niederösterreich und in ihr Schaufenster, die Landesgalerie, herumgesprochen zu haben.
Unter dem Motto „Kunstschätze vom Barock bis zur Gegenwart“ – wäre der Ausstellungstitel ein Buch, würde man es ungeöffnet zum Verstauben ins Regal stellen – , konfrontiert dort die jüngst eröffnete, bis Februar 2024 anberaumte Sammlungsschau ihr Publikum einfach mit der Behauptung, dass das Gezeigte Schatz-Status hat. Womit die Bilder – solche sind es mehrheitlich – diese Wertschätzung verdienen, wird nicht wirklich erklärt.
Genau diese Frage – warum bedeutet ein Kunstwerk heute, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte nach seiner Herstellung, noch etwas – sollte aber im Zentrum jedweder Museumspräsentation stehen. Gerade Dauerausstellungen, die medial oft wenig Beachtung finden und teils nicht freiwillig, sondern im Rahmen von Schulexkursionen oder Gruppenausflügen besucht werden, können hier Türen öffnen – oder sie für immer zuknallen.
Dass Kunstwerke in der Lage sind, Bedeutungen zu konservieren und diese im schillernden Licht der Zeit in unterschiedlichen Formen preiszugeben, haben vermutlich alle, die irgendwann die Begeisterung für Kunst und Museen einfangen durften, schon erlebt.
Wenn diese Übertragung nicht funktioniert, hat das meist damit zu tun, dass ein Werk ohne Anhaltspunkte in den Raum gestellt wird – oder dass ihm zu viele Bedeutungen übergestülpt werden. Wie überall gibt es auch in der Vermittlung ein „zu viel“ und ein „zu wenig“ – und bei den aktuellen Sammlungsneuhängungen genug Anschauungsmaterial für beides. Gelungen ist die Übung etwa im Oberen Belvedere, während man bei der Belagerung des Kunsthistorischen Museums durch den Maler Georg Baselitz eine echte Auseinandersetzung vermisst.
In Krems gibt es lustigerweise zu viel und zu wenig von allem: Man reduzierte die Werke pro Saal, um das Publikum nicht zu überfrachten, mutet diesem aber den irrwitzigen Zeithorizont „vom Barock bis zur Gegenwart“ zu. Die Wandtexte unterschlagen Wichtiges: So wird der Maler Ferdinand Andri (1871 – 1956) mit Werken von 1902 als „fulminant secessionistisch“, also modern, bezeichnet – dass er später knietief im NS-Dreck watete, bleibt unerwähnt. Dafür gibt es Literaturzitate, die aus derselben Zeit stammen wie die Bilder, diesen aber nichts hinzufügen.
Im Jargon der Schüler kann man ein neudeutsches „Seriously?“ in den Raum stellen. Dabei gibt es gewiss viele Kunstschätze in Niederösterreich. Vielleicht entdeckt man sie aber erst, wenn jemand in einem die Lust weckt, selbst zu schauen.
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