Wir sind jetzt auch Picasso: Albertina zeigt ihre Bestände
Die Schausammlung der Albertina wirbt neuerdings mit dem Slogan „Monet bis Chagall“ – aber nicht, weil der sonst an zweiter Stelle genannte Picasso, dieser alte Patriarch, der sogenannten „Cancel Culture“ zum Opfer gefallen wäre. Nein, das Museum hat dem Superkünstler der Moderne die Pfeilerhalle gleich neben dem Eingang freigeräumt – für eine Gedenkschau zum Todestag, der sich am 8. April zum 50. Mal jähren wird.
Dass sie sich rühmt, ganz aus eigenen Beständen zusammengestellt zu sein, böte auch Anlass, so einiges über österreichische Kunst- und Museumsgeschichte zu erzählen – eine Gelegenheit, die die Schau leider ungenutzt lässt. Den Picasso-Fans wird es vermutlich egal sein.
Querschnitt
Tatsächlich wird in der Albertina ein feiner Querschnitt geboten, der den Werdegang des 1881 geborenen Künstlers anhand von Gemälden, Druckgrafiken und Keramiken zumindest in Grundzügen abbildet.
Das Gemälde „Schlafende Trinkerin“ von 1902 steht – neben der Radierung „Das karge Mahl“ von 1904 – für die existenzielle Melancholie der „blauen Periode“; das Gemälde „Étagère“ von 1912 exemplifiziert jene Phase, in der Picasso Motive zerstückelte und aus mehreren Ansichten wiedergab („analytischer Kubismus“). Das spätere Werk ist stärker vertreten – ein enormes, grau-weißes Gemälde aus Picassos surrealistischer Phase, „Frau mit Skulptur, Vase und Blumen“ von 1929, sticht dabei ins Auge, obwohl man dachte, die Picasso-Schätze der Albertina halbwegs zu kennen.
Familienbesitz
Besagtes Bild ist – ebenso wie die kubistische „Étagère“ – Teil der Schweizer Familiensammlung Barbier-Mueller, der auch ein eigenes Museum in Genf (mit ethnografischen Objekten) gewidmet ist. Die „Schlafende Trinkerin“ wiederum gehört zur Stiftung von Othmar Huber, eines Schweizer Augenarztes, der – darin dem Wiener Augenarzt Rudolf Leopold nicht unähnlich – ein Auge für moderne Kunst und gute Geschäfte hatte. Das Bild, einst von den Nazis als „entartet“ aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum entfernt, erwarb Huber 1941 um 50.000 Schweizer Franken, wie Stiftungsvizepräsident Matthias Frehner dem KURIER erzählt. Anders als bei Kunst, die jüdischen Eigentümern geraubt wurde, ist es kein Restitutionsfall.
Hubers Stiftung ist eigentlich ans Kunstmuseum Bern angedockt, 47 Werke gastieren aber als Dauerleihgabe in der Albertina – bis mindestens 2030, so Frehner.
Pablo ist kein Wiener
Die Picasso-Schau ist damit auch ein Monument für die Akquisitionspolitik von Direktor Klaus Albrecht Schröder, der die Anbindung privater Sammlungen stets stärker forcierte als jeder andere Museumschef in Österreich.
Die Sammlung Batliner, seit 2007 am Haus, bildet das Rückgrat, wenngleich einige Picasso-Grafiken über den Händler Daniel-Henry Kahnweiler schon in den 1950er-Jahren ans Haus gelangten, wie Schröder sagt. Die Sammlung Forberg, 2007 übergeben, ergänzt schöne Kleinformate wie einen „Gitarrenspieler“ von 1912.
All das kaschiert den Umstand, dass Österreich lange Picasso-Ödland war: Auch das für viele Jahre einzige Gemälde des Spaniers in Museumsbesitz, „Sitzende Frau mit grünem Schal“ (1960), kam erst 1991 als Dauerleihgabe der deutschen Ludwig-Stiftung ans mumok.
Die einst von der Kulturpolitik beschworene „Sammlung Österreich“ kann sich also nicht wirklich mit Picasso schmücken. Dank der Allianzen des Kunstbetriebs ist er jetzt trotzdem da.
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