Winnetou neu: Die Anmaßung
Wenig Material hat im Jahr 2016 weniger verloren als der hochstaplerische Karl-May-Roman "Winnetou". Die moraltriefende und einfältige Geschichte über die Freundschaft des Apachenhäuptlings Winnetou mit dem deutschen Ingenieur Old Shatterhand wirkt heute wie aus der Zeit gefallen. May war nie in Amerika, hat nie einen Indianer getroffen und hatte bei seinen Schreibstunden die Brille des deutschen Übermenschen auf. Die Krönung dieser literarischen Vorspiegelung falscher Tatsachen waren die Verfilmungen der Story mit Pierre Brice und Lex Barker in den Hauptrollen. Wieder betrat man amerikanischen Boden nicht, sondern filmte ab 1962 in den malerischen Landschaften Kroatiens.
Diese Fake-Cowboy-und-Indianer-Verfilmung im Jahr 2016 noch einmal auf den Markt zu bringen, wäre eine große künstlerische Herausforderung. Allerdings ist es eine, an der die Macher der RTL-Neuauflage (ab Sonntag zu sehen) auf voller Länge gescheitert sind. RTL drehte die Vorlage nämlich einfach nach – mit sämtlichen Problemstellen. Das bedeutet, dass Winnetou beim Essen die Fleischstücke – natürlich – aus dem Mund fallen, als könnten Menschen außerhalb des westlichen Kulturkreises nicht einmal Nahrung zu sich nehmen, ohne dass die Hälfte verloren geht.
Herablassende Stereotype über fremde Völker sind für sich schon eine problematische Angelegenheit, wenn sie sich allerdings ein schriftstellerisch begabter Trickbetrüger im 19. Jahrhundert aus den Fingern gesogen hat, sind glühende Kohlen mit bloßer Hand leichter zu handhaben.
Kein Blutvergießen
Überhaupt scheint man von anderen Völkern restlos halb debile Idioten aufs Set beordert zu haben: "Ni’ ni’ ni’ ni’ mein Problem. Problem Langnase", erklärt ein Asiate Old Shatterhand. Wer dreht so etwas?
Schauen wir lieber das Original. Da ist die Anmaßung wenigstens historisch.
Kommentare