Wenn absolute Suchtgefahr garantiert ist

Wenn absolute Suchtgefahr garantiert ist
Kritik. Eine "Hommage an Galina Ustwolskaja" mit Intendant Markus Hinterhäuser am Klavier.

Man kann es nicht oft genug betonen. Die Wiener Festwochen 2014 sind – zumindest was den Musikbereich betrifft – ein einziger Genuss. Denn Intendant Markus Hinterhäuser hat ein unglaublich kluges und aufregendes Programm erstellt, das weit über das Alltägliche hinausgeht, ja das Spuren hinterlässt.

Doch Hinterhäuser ist bei den Festwochen auch als Pianist präsent. So wird er ab 9. Juni bei William Kentridges Inszenierung von Schuberts "Winterreise" Bariton Matthias Goerne am Klavier begleiten. Und am Wochenende widmete sich der Intendant im Konzerthaus einer Komponistin, die ihm besonders am Herzen liegt: Der Russin Galina Ustwolskaja.

Man weiß wenig über die 1919 im heutigen St. Petersburg geborene und 2006 ebendort verstorbene Schostakowitsch-Schülerin. Etwa zwei Dutzend Kompositionen sind von der öffentlichkeitsscheuen Künstlerin erhalten. Werke, die Hinterhäuser in seiner "Hommage an Ustwolskaja" etwa mit den Musikern des exzellenten Klangforum Wien oder auch mit der Ausnahme-Geigerin Patricia Kopatchinskaja in einem Konzert-Marathon präsentierte. Im Zentrum standen aber die Klaviersonaten.

Sechs Stück, technisch alle unfassbar anspruchsvoll, physisch wie psychisch eine Herausforderung. Für den Pianisten und für das Publikum. Denn Ustwolskajas Musik ist radikal, geht unter die Haut, ist brutal und poetisch, resignativ und doch voller Hoffnung, sie berührt und verstört zugleich. Absolute Suchtgefahr ist da garantiert.

Idealer Interpret

Vor allem dann, wenn Hinterhäuser diese in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren entstandenen Sonaten spielt. Doch was heißt in diesem Zusammenhang schon spielen? Hinterhäuser spielt Ustwolskaja nicht, er interpretiert sie, legt Seelenzustände und Abgründe offen. Virtuos, energetisch, hart und sinnlich, vor allem aber gnadenlos gut.

Ja, die künstlerische Entwicklung der Komponistin lässt sich da perfekt nachvollziehen. Ja, die Strukturen der Stücke werden plastisch vorgeführt. Aber darum geht es nur am Rande. Denn Hinterhäuser dringt zum Kern der Werke vor, stellt existenzielle Fragen, nähert sich diesem Monolith der Klavierliteratur mit totalem Einsatz. Das tut weh, macht glücklich und wirkt lange, lange nach.

Wer es live verpasst hat, sei auf die CD-Einspielung (col legno)verwiesen.

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