Das Beste kommt zum Schluss: Furioses Festwochen-Finale

Written on Skin
Kritik: George Benjamins Oper "Written on Skin" ist im Theater an der Wien ein elementares Ereignis.

Wer sagt da noch, dass zeitgenössische Oper elitär, abgehoben, unhörbar oder gar in einem intellektuellen Elfenbeinturm sitzen muss? Nichts davon trifft auf George Benjamins „Written on Skin“ zu. Ein Werk, das seit seiner Uraufführung 2012 beim Festival in Aix-en-Provence international für Furore sorgt, mit Preisen überhäuft wird und zum Finale der Wiener Festwochen (und der Intendanz von Luc Bondy) nun endlich auch in Wien Station macht.

Nachhaltig

Allein diese Tatsache bereitet sogar dem sonst eher mäßig erfolgreichen Musikchef Stéphane Lissner einen würdigen Abgang. Denn – und diese Prophezeiung sei gewagt – Benjamins „Written on Skin“ wird sich auf den Spielplänen der (mutig-innovativen) Opernhäuser halten. Zu gut ist diese Musik, zu gut ist das Libretto des Dramatikers Martin Crimp.

Worum geht es? Wir befinden uns im 13. Jahrhundert. Ein reicher Mann – hier genannt der Protector – lädt einen Buchmaler ein, sein Leben und die „Reinheit“ seiner Frau zu preisen. Für die Frau wird das zu einem auch sexuell motivierten Selbstfindungsprozess – sie verführt den Jungen und erlangt ihre Weiblichkeit wie auch ihre innere Freiheit. Der Protector kommt dahinter, tötet den Rivalen – die Frau (Agnès) muss dessen Herz essen und endet im (befreienden) Freitod.

Doch damit nicht genug. Benjamin, Crimp, Regisseurin Katie Mitchell und Ausstatterin Vicki Mortimer führen einen zweite Ebene ein. Die Gegenwart. Jeder Charakter kommentiert zugleich das Geschehen, wird zum Beobachter seiner selbst. Verborgene Begierden werden grandios ans Licht gezerrt; die Verstörung ist inkludiert.

Szenenbilder von "Written on Skin"

Das Beste kommt zum Schluss: Furioses Festwochen-Finale

WIENER FESTWOCHEN: FOTOPROBE "WRITTEN ON SKIN"
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Written on Skin…
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Vielschichtig

Benjamins Musik ist phänomenal: Zart, flirrend, sinnlich, grob und brutal, tonal und atonal, leidenschaftlich und nüchtern – aber immer, immer brillant. Ja, man könnte auch Berg, Debussy, Boulez oder Messiaen heraushören. Doch Benjamin ist Benjamin und als solcher gigantisch.

Und erst die Umsetzung! Dirigent Kent Nagano und das fantastische Klangforum Wien loten wirklich alle Facetten (davon gibt es sehr viele) der Partitur aus und entfachen eine unwiderstehliche, orchestrale Sogwirkung. Das geht unter die Haut, vom ersten bis zum letzten Ton.

Dazu kommt die tolle Regie von Katie Mitchell, die mit Ausstatterin Vicki Mortimer auf zwei Stockwerk-Ebenen mühelos durch die Jahrhunderte wandert; grandiose, psychologisch-motivierte Personenführung inklusive. Und mit Sopranistin Barbara Hannigan als vokal wie darstellerisch schlicht sensationelle Agnès, mit Bariton Audun Iverson (Protector), mit dem Counter Iestyn Davies (Maler/Boy) sowie Victoria Simmonds und Allan Clayton sind nur fabelhafte Singschauspieler am Werk. Die Oper – sie lebt! Im Heute!

Werk
„Written on Skin“ ist eine Oper in drei Teilen von George Benjamin (Musik) und Martin Crimp (Text). Sie wurde 2012 uraufgeführt.

Musik
Bezwingend, betörend, brutal, verführerisch und sinnlich. Toll.

Umsetzung
Die Regie, die Ausstattung, das Klangforum, der Dirigent, die Sänger – hier stimmt einfach alles.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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