Der Schmerz der Welt, mit Wut herausgekotzt

Festwochen
Angélica Liddell wagt sich im MuseumsQuartier an die Quadratur des Kreises.

Wo Angélica Liddell draufsteht, sind Schmerz und Gewalt drinnen. Das hat die spanische Extrem-Performerin bereits 2012 mit „La casa de la fuerza“ bei den Wiener Festwochen deutlich gemacht. Und auch mit „Todo el cielo sobre la tierra – El sindrome de Wendy“ („Der ganze Himmel über der Erde – Das Wendy-Syndrom“) bleibt Liddell ihrem Credo treu. Denn das, was die Künstlerin in der Halle G des MuseumsQuartiers abliefert, tut einfach weh, höllisch weh sogar.

Völliger Furor

In dieser Arbeit – ein Auftragswerk der Festwochen – wagt sich Liddell an die Quadratur des Kreises. Der Peter-Pan-Mythos kombiniert mit chinesischen Walzern, Hard Rock und dem Massaker von UtøyaLiddell zeigt das Psychogramm einer zivilen Gesellschaft in Auflösung. Sie schreit, sie tobt, sie kotzt das Elend des Seins buchstäblich aus sich heraus. Denn Liddell untersucht das sogenannte „Wendy-Syndrom“ (darunter leiden Frauen, die Beziehungen mit Männern führen, die nicht erwachsen werden wollen) und sie präsentiert in dem Massenmörder Breivik die radikalste Ausformung des Peter-Pan-Syndroms.

Dazu erzählt sie (Liddell ist auch für Text, Bühne, Kostüme und Regie zuständig) die Geschichte der Straßentänzer von Schanghai, verknüpft das mit einer zarten Liebesgeschichte (Peter Pan und Wendy), geilt sich aber auch an Perversionen auf.

Und Liddell ist gewohnt politisch unkorrekt. Sie masturbiert, sie fantasiert, sie spricht alles aus, was kein „politisch korrekter Mensch “ gutheißen kann. Sie geißelt den „Dignitätszuschlag“ für werdende Mütter, berichtet genüsslich von ihren gewaltvollen Sex-Fantasien und knallt den „Gutmenschen“ eine verbale Ohrfeige nach der anderen ins Gesicht.

Impressionen des Stückes

Der Schmerz der Welt, mit Wut herausgekotzt

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Staccato-Angriffe

Es gibt mehrere Wendys, die wackeren chinesischen Tänzer, die zu Interviews gebeten werden, und Pans Insel Neverland wird letztlich zum Schlachtfeld von Utøya. Dazu spielt das fabelhafte Ensemble Phace, dazu hat Cho Young Wuk eine verstörend-wütende Musik komponiert. Aller anderen sehr (bemühten) Darsteller zum Trotz: Höhepunkte in diesem pausenlosen, etwa dreistündigen Abend (in spanischer, englischer, deutscher und und chinesischer Sprache mit tollen Übertiteln) sind jedoch Liddells Staccato-Wortangriffe.

Wenn die Performerin da an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Kräfte geht, hört man trotz aller Wiederholungen gebannt zu, weiß man, wie viel Energie am Theater auch möglich ist. Man muss nicht mögen, was Liddell macht. Kalt lässt einem das Ganze aber sicher nicht.

KURIER-Wertung: **** von *****

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