Wiener Festwochen geben sich handzahm: Programm mit großen Namen
Milo Rau war im Irak gewesen, um „Orest in Mossul“ zu realisieren; die Wiener Festwochen zeigten die Produktion 2019, im ersten Jahr von Christophe Slagmuylder. In der Folge wollte Rau, Intendant des NT Gent, für die Salzburger Festspiele in Brasilien den „Jedermann“ neu interpretieren – mit Ursina Lardi als „Everywoman“ – und mit indigenen Schauspielern „Antigone im Amazonas“. Jedoch: „Nach einer Woche kam uns Corona dazwischen“, erzählte Rau im Sommer 2020 im KURIER-Interview. „Ursina reiste ab, und ich musste auch die ,Antigone‘ abbrechen.“
Die Pandemie ist aber nun vorbei, Rau hat seine Tragödienüberschreibung umgesetzt: Sie wird im Mai 2023 ihre Uraufführung in Gent erleben. Und wenige Tage später präsentiert Slagmuylder die Produktion im Rahmen seiner letzten Festwochen.
Danach übergibt er das Festival an Milo Rau. Denn der Belgier kehrt zurück nach Brüssel, um das Bozar zu leiten. Fünf Jahre lang hatte er Krisen und Kritik zu trotzen: „Heute bin ich sehr glücklich, Wien zu verlassen – mit dem Gefühl um das Geleistete“, sagte er bei der Programmpressekonferenz am Donnerstag im Ringturm.
Die Anwürfe nach der ’22er-Ausgabe – es gab kaum klassisches Sprechtheater, es wurden nur 35.000 Karten aufgelegt und von diesen nur 43 Prozent zum Vollpreis verkauft – dürfte man sich zu Herzen genommen haben: Die Zahl der Produktionen (36) bleibt zwar gleich, aber man bietet 45.000 Karten an. Und die Chancen, diese loszuwerden, sind hoch: Nach der Eröffnung am 12. Mai (Hyung-ki Joo kreiert vor der Kulisse des Rathauses eine lustvolle Show mit Beat-Boxern und Akrobaten) gibt es in den fünf Wochen bis zum 21. Juni viele prominente Namen.
Kinder und Omamas
Susanne Kennedy reflektiert mit „Angela (A Strange Loop)“ die Pandemie; der Slowene Tomi Janežič kritisiert in „Onkel Wanja“ die Leistungsideologie; William Kentridge zeigt seinen musikalischen Abend „Sibyl“ aus 2019; Alexander Zeldin beschäftigt sich in „The Confessions“ mit dem Leben seiner Mutter; Julien Gosselin zieht für sein Live-Video-Konzert-Sprechtheater „Extinction“ Texte von Arthur Schnitzler heran; Simon McBurney dramatisiert den Roman „Gesang der Fledermäuse“ von Olga Tokarczuk; Doris Uhlich thematisiert in ihrer Choreografie „Melancholic Ground“ den Kinderspielplatz; Kornél Mundruczó gastiert mit der Bühnenfassung von „Pieces Of A Woman“; und die kapverdische Choreografin Marlene Monteiro Freitas inszeniert Alban Bergs „Lulu“. Anne Teresa De Keersmaeker und Rosas gastieren mit einer neuen Creation in der Volksoper, im Volkstheater gibt es für alle ab 7 den „Pinocchio“ des Schauspielhauses Zürich.
Es gibt zudem eine Ausstellung (eine Hommage an die Großmütter von Turner-Preisträgerin Laure Prouvost in der Kunsthalle), die sechsteilige Konzertreihe „Elective Affinties“ im Porgy & Bess sowie den Kabarettgipfel „Comish“ im Metropol mit Malarina, RaDeschnig und David Scheid. Das Budget beträgt laut Geschäftsführerin Artemis Vakianis 13 Millionen Euro, 18 Prozent will man selbst erwirtschaften.
Der Ticketverkauf startet am 6. März. Und Slagmuylder lächelt smart: „Ich bin glücklich, dass wir alle glücklich sind.“ THOMAS TRENKLER
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