Wien Modern 2012 geht in die letzte Woche

Wien Modern 2012 geht in die letzte Woche
Das Festival für Musik der Gegenwart hat den Olga Neuwirth-Schwerpunkt abgeschlossen und liefert bis 16. November noch Diskurs - und natürlich Konzerte.

Die 25. Ausgabe von Wien Modern geht in die vierte und letzte Woche. Die vergangene Woche widmete das Wiener Festival für Musik der Gegenwart einem Porträt der österreichischen Komponistin Olga Neuwirth. Bereits bei der Eröffnung des Festivals am 22. Oktober wurde ein Vorgeschmack auf die experimentierfreudigen, teils ironisch-verspielten Klangwelten der gebürtigen Grazerin gegeben. Da ließ man im Theater an der Wien, wo erstmals der Festival-Auftakt stattfand, den Pianisten Marino Formenti gegen ein Computer-Klavier antreten und stellte diesem Kampf die Klavierverrenkungen von Tom & Jerry als Video gegenüber. Im zweiten Teil spielte das Klangforum Wien gemeinsam mit Counter Tenor Andrew Watts Neuwirths "Hommage à Klaus Nomi", in der die Popsongs des 1983 verstorbenen New Wave-Falsettkünstlers, Neue Musik, Barockmusik und Videos eine abgründig-spielerische Liaison eingehen.

Dass Neuwirth immer wieder die Grenzen des zeitgenössischen Musikbetriebs ausdehnt, zeigte sich am Dienstag, 6. November, auch in einer räumlichen Intervention. Bei dem Konzert im Odeon wurde das Klangforum Wien rund um das Publikum im Saal angeordnet und bespielte den Raum in einer Art Surround-Situation mit dem Pierre Boulez gewidmeten "Construction in space" aus dem Jahr 2000.

Dass es im Jubiläumsjahr keine Neuwirth-Uraufführung gab, begründete Festivalleiter Matthias Losek im Gespräch mit dem KURIER damit , dass viele "Stücke einmal uraufgeführt und danach wieder in der Versenkung verschwinden". So widmet sich das Festival im Jubiläumsjahr - wiewohl auch Ur- und Erstaufführungen im Programm zu finden sind - verstärkt der Rückschau, insbesondere in der von Festival-Mitbegründer Lothar Knessl kuratierten Jubiläums-Reihe. Am 11. und 13. November sind weitere Programme aus diesem Schwerpunkt zu hören. Das letzte von Knessl ausgewählte Konzert beschließt dann auch Wien Modern am 16. November im Musikverein mit Pierre Boulez` "Rituel in memoriam Bruno Maderna", gespielt vom RSO Wien unter Cornelius Meister.

Nono gegen Gröni

Beim zweiten Programm der Reihe am 2. November kam es beim Konzert des Arditti Quartetts zu einem heiklen Moment. Durch einen Disponierungsfehler, den das Wiener Konzerthaus auch als "schwer, bedauerlich und vermeidbar" einräumte, musste das Konzert des Arditti Quartetts im Mozart-Saal nach der Pause beendet werden. Denn zeitgleich brauste Herbert Grönemeyer im Großen Saal mit hoher Lautstärke durch sein Wien-Konzert. Das war mit Luigi Nonos "Fragmente - Stille" nicht vereinbar. Auch die Vorverlegung des Konzerts um eine halbe Stunde reichte nicht aus, man hatte letztlich noch gehofft, dass Gröni im ersten Teil seiner Show leisere Töne anschlagen würde. Vergeblich. Zumindest das Krisen-Management von Wien Modern funktionierte ausgezeichnet. Das Festival selbst trifft auch keinerlei Schuld an dieser Parallelprogrammierung.

Auch am Tag darauf blieb ein zweites Konzert des deutschen Popbarden im Konzerthaus nicht ganz ohne Konsequenzen. Das Konzert mit Werken von Beat Furrer, einer der Höhepunkte der diesjährigen Wien Modern-Ausgabe, musste ebenfalls - um eine Stunde - vorverlegt werden. Vor der Uraufführung von "ira - arca", dass im Rahmen des Erste Bank-Kompositionspreis entstand, verzichteten die Musiker des Klangforum Wien auf eine Erholungspause, damit nicht ein weiteres Programm durch Grönemeyer-Beschallung beeinträchtigt wurde.

Eine weitere Uraufführung, "grace note", wurde im Tanzquartier zum Publikumserfolg. In einem Schlachtfeld aus Notenständern, Instrumenten und Fahrrädern interagierten das Ensemble Phace und die Performance Company Liquid Loft des Choreographen Chris Haring zur Musik des mexanischen Komponisten Arturo Fuentes. Günter Brus, der für das Bühnenbild verantwortlich zeichnete, steuerte noch Texte zu diesem intermedialen Klangereignis bei.

Letzte Woche: Diskussionen und Konzerte

Am Samstag wurde die letzte Woche des Festivals mit einem spannungsreichen Konzert des Pariser Ensemble intercontemporain im Konzerthaus eingeläutet. Komponist Enno Poppe dirigierte und präsentierte die Teile III-V seines "Speicher"-Zyklus, der im Oktober 2013 in Donaueschingen erstmals in allen sechs Teilen aufgeführt werden soll. Neben Werken von Xenakis und Harvey stand auch die umjubelte Erstaufführung des von Death Metal beeinflusste Stück "Take nine (for twelve)" des österreichischen Komponisten Bernhard Gander auf dem Programm.

Am Montag und am Dienstag steht WIen Modern im Zeichen des Diskurs, wenn ab 10 Uhr in der Universität für Musik und Darstellende Kunst ein Symposium zum Thema "Neue Musik als weltanschauliche Botschaft" stattfindet.

Am Dienstag, 13. November, findet die Uraufführung von "Das Kind der Seehundfrau" von Jesse Broekman statt, eine Koproduktion von Wien Modern mit Dschungel Wien und makemake Produktionen. Aus Sprechgesängen, Soundelementen und einer knarrenden Eisscholle entsteht eine zeitlose Geschichte über Liebe, Verlust und Identitätskonstruktionen. Das Stück läuft über Wien Modern hinaus bis 19. November in dem Theaterhaus für junges Publikum. Für junge Leute gab es beim Festival auch das Jeunesse-Konzert "Fluxus" und den Workshop "Wie klingt der Vampirtintenfisch?!" rund um die Musik Olga Neuwirths.

In der letzten Woche werden noch weitere Außenspielorte bespielt: So trifft etwa am 14. November in der Brunnenpassage das skulpturale Instrumentarium von Limpe Fuchs auf Mehrkanal-Live-Elektronik, und am 15. November erklingen Orgelwerke von Friedrich Cerha, im vergangenen Jahr Schwerpunkt-Komponist, in der Kirche St. Ursula.

Wiewohl halb-szenische Projekte dieses Jahr wieder im Programm von Wien Modern zu finden waren, gab es erneut keine große Musiktheater-Produktion. Für 2014 stellte Intendant Matthias Losek im KURIER-Interview auch eine Musiktheater-Uraufführung in Aussicht. Möglicherweise ist dies ein weiterer Schritt im Bestreben des Festivals, die Diskussion und Beschäftigung mit neuer Musik über die eingeweihten Zirkel hinaus zu befördern.

www.wienmodern.at

Kommentare