Weltstar Daniel Brühl: "Der kann gar nix"

Cast member Daniel Bruhl attends the premiere of "Captain America: Civil War" in Los Angeles April 12, 2016. REUTERS/Phil McCarten
Daniel Brühl ist einer der wenigen Schauspieler, die in Europa und in den USA gleichermaßen erfolgreich sind. Im vergangenen Sommer war er mit „The First Avenger: Civil War“ im Kino zu sehen, jetzt ist es die bewegende Geschichte „Jeder stirbt für sich allein“. Der freizeit hat er erzählt, wie er in die A-Liga von Hollywood aufgestiegen ist, warum er schon als Achtjähriger finanziell unabhängig war und warum er die Österreicher so liebt.

Herr Brühl, bitte nicht Sie auch noch. Warum tragen Sie Vollbart?

Das ist für einen Film. Die Ansage war wachsen, wachsen, wachsen lassen. Der Film heißt „Endavour“ und wir fangen jetzt an zu drehen. Es geht um eine Flugzeugentführung und ich spiele einen Terroristen.

Witzig, Sie sind einer der wenigen Schauspieler, die es geschafft haben, aus einer Schublade rauszukommen. Nach „Good Bye, Lenin“ hatten Sie ja das Image des Wunschschwiegersohnes der Deutschen und Österreicher. Und jetzt spielen Sie verdammt oft abgründige Figuren.

Zum Glück ist es so gekommen. Ich habe das jahrelang nicht verstanden und war gelangweilt von dem, was da so kam. Immer wenn es spannend geworden ist, was Rollenangebote betrifft, ist das bezeichnenderweise von außen gekommen.

Sie meinen nicht aus Deutschland?

Ja, eigentlich ist eine Veränderung erst durch den frischen, unvoreingenommenen Blick aus dem Ausland eingetreten. Mir wurden Rollen angeboten, die mir ganz sicher aus Deutschland heraus nicht angeboten worden wären. Ich brauche jetzt nur an den österreichischen Kollegen Niki Lauda zu denken. Dass Ron Howard (Anm.: Regisseur des Lauda-James-Hunt-Films „Rush“) schon nach dem ersten Casting den Niki in mir gesehen hat, hat mich total positiv überrascht. Ein deutscher Regisseur, glaube ich, hätte mir das nicht zugetraut.

Im Film „Jeder stirbt für sich allein“, der jetzt in den Kinos zu sehen ist, spielen Sie eine halbböse Figur. Kommissar Escherich ist Teil des Nazi-Regimes, aber gleichzeitig davon angewidert. Der Film ist heuer bei der Berlinale im Wettbewerb gelaufen, die Kritiken waren nicht allzu gut. Trifft Sie das?

Man kriegt ein dickes Fell, wenn man das lange macht. Ich wusste gleich, mit einem historischen Stoff aus der Zeit, ist es immer schwierig, die Leute zu begeistern. Als ich mit der Schauspielerei anfing, waren wir mit „Good Bye, Lenin“ auch im Wettbewerb. Da ist der Druck immer groß. Ich war damals Anfang 20, aber ich weiß noch genau, dass wir im Kritikerspiegel als schlechtester Film ganz unten waren. Dann ging der Film auf seine Reise und wurde ein Riesenerfolg.

Ein Kritiker ist eben auch nur ein Mensch.

Na klar, als der Film dann Monate später rauskam und auch im Ausland ein Erfolg war, waren die Kritiken in denselben Zeitungen und Magazinen plötzlich total toll. Ich habe also schon früh gelernt: Das ist alles relativ. Ich stehe zu „Jeder stirbt für sich allein“ und hoffe, dass er nun mit Abstand zum Festival positiver gesehen wird.

Weltstar Daniel Brühl: "Der kann gar nix"
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Mir hat er gefallen, wenngleich ich sagen muss, dass ich vor Jahren das Buch von Hans Fallada gelesen habe – und das Kino im Kopf ist unschlagbar.

Da haben Sie sicher recht.

Die Geschichte ist berührend. Ein Ehepaar leistet Widerstand gegen das Nazi-Regime, indem es in ganz Berlin Postkarten gegen Hitler hinterlegt. Einerseits extrem mutig, andererseits denkt man: Die riskieren ihr Leben für nix.

Das macht diesen Stoff ja so spannend: die Unmöglichkeit des Unterfangens. Dieser subversive Akt, der so klein wirkt, aber in Wahrheit für dieses Paar riesengroß war. Das sich Aufbäumen gegen ein solches System und das Wissen, dass es eigentlich unmöglich ist, beeindruckt umso mehr. Jeder packt sich selbst an der Nase und stellt sich die Frage, wie man sich selber in dieser Zeit verhalten hätte.

Meine Antwort ist Widerstand. Ihre?

Wahrscheinlich hätte ich mich aus schierer Angst heraus einer Sache angeschlossen – wohl oder übel, mehr oder weniger. Das ist ja das, was die meisten Menschen damals gemacht haben. Eigentlich haben wir nichts damit zu tun, aber wir machen auch nichts dagegen.

Wissen Sie, dass Sie der Schauspieler sind, von dem ich die meisten Filme gesehen habe?

Echt? Um Gottes Willen.

Echt tolle Filme. „Good Bye, Lenin“, „Die fetten Jahre sind vorbei“, „Lila, Lila“, „Rush“ ... Sie haben keine Schauspielschule, meinten aber einmal, man muss die richtigen Leute treffen.

Das gehört auf jeden Fall dazu. Ich selber hatte als junger Mensch schon einen Plan B im Kopf. Mein Vater hat mich zum Glück vorsichtig erzogen und mir gesagt, dass es sehr schwer ist, sich als Schauspieler zu etablieren. Dir müssen Chancen geboten werden, damit du wahrgenommen wirst. Wäre das nicht passiert, hätte ich, glaube ich, einen anderen Weg eingeschlagen.

Wer hat Ihnen die Chancen gegeben?

Am Anfang waren das junge Regisseure wie der Österreicher Hans Weingartner mit dem Film „Das weiße Rauschen“ oder Benjamin Quabeck mit „Nichts bereuen“. Die beiden waren noch Filmhochschüler und haben ihre Debütfilme gemacht. Keiner konnte ahnen, dass die Filme überhaupt wahrgenommen werden. Ein Erstlingswerk kann irgendwo landen und keiner sieht’s. Aber beide Filme sind gut angekommen und auf Festivals gelaufen. Beide haben mir auch die ersten Preise beschert. Ich habe für beide den Deutschen Filmpreis bekommen. Das war ein irrsinniges Glück.

Kluge Taktik mit den Jungregisseuren.

Es ist ein gutes Gefühl, wenn man mit wenigen Erwartungen rangeht. Bei „Good Bye, Lenin“ war’s genauso. Wir dachten, das ist eine nette Geschichte, ein Arthaus-Film, der maximal Deutsche interessiert. Dass das so ein Phänomen mit internationalem Durchbruch wird, hat niemand ahnen können. Das sind glückliche Fügungen. Wieviele Schauspieler sind brillant und bekommen die Chancen einfach nicht?

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Barbara Reiter in Berlin

Besuch aus Österreich: Daniel Brühl im Interview mit Barbara Reiter in Berlin

Sie haben einen starken Österreich-Bezug: Regisseur Hans Weingartner, Niki Lauda im Film oder Autor Daniel Kehlmann, der das Buch schrieb, auf dem Ihr Film „Ich und Kaminski“, basiert. Mögen Sie uns Ösis?

Ich hab ein richtiges Faible für Österreich, speziell für Wien, was den Sinn für Humor betrifft. Ich finde, dass die Deutschen sich da ein Scheibchen abschneiden können. Diese Ironie, das Gehässige, eine gewisse Arroganz, eine Bösartigkeit – das ist alles sehr erfrischend. Im Vergleich dazu sind die Deutschen sehr hölzern. Die Österreicher sind da viel näher dran an den Engländern, die mir auch taugen. Ich war immer sehr anglophil. Als junger Mensch wäre ich am liebsten Engländer gewesen. Österreich lernte ich erst danach kennen.

Und offenbar lieben.

Ich habe nie schlechte Erfahrungen mit Österreichern gemacht. Viele haben ja Angst vor euch oder erzählen Schauer- und Gruselgeschichten. Ob es jetzt der arrogante Kellner ist, der einen schlecht behandelt, weil man in Wien einen Milchkaffee statt der Melange bestellt oder ob es schlimme Geschichten von Intrigen am Theater sind. Da habe ich viele abgründige Sachen gehört. Ich habe ein gutes Verhältnis zu eurem Land.

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Download von www.picturedesk.com am 07.11.2016 (14:16). ACT action_23264003 -- Daniel Brühl in seinem Restaurant Bar Raval in Berlin Kreuzberg / 051016 *** Daniel Bruehl photo shoot in his restaurant "Bar Raval" in Berlin, Germany, October 5, 2016 *** - 20161005_PD11898

Zu Hollywood auch. Sie Sind einer der wenigen deutschen Schauspieler, die es dort in die A-Liga geschafft haben. Gibt es einen klaren Weg dorthin?

Das war ein Dominoeffekt. Ich kann das sehr genau zurückverfolgen zu den Anfängen. Wenn man die Chance hat, bestimmte Rollen zu kriegen, können gerade in den USA bestimmt Dinge sehr schnell gehen. Es gibt einige Filme, die rausstechen. Die Kette war so, dass es mit Weingartners „Das weiße Rauschen“ angefangen hat. Den Film fand Wolfgang Becker, der Regisseur von „Good Bye, Lenin!“ toll und er hat mich gecastet. „Die fetten Jahre“, die ich wieder mit Weingartner gemacht habe, fand Quentin Tarantino toll. Deshalb hat er mir dann die Rolle in „Inglourious Basterds“ angeboten. Durch Tarantino wurde Ron Howard mit „Rush“ aufmerksam. Das ging dann so in Wellen.

Wie hat Tarantino von „Die fetten Jahre sind vorbei“ erfahren?

Ich glaube, er saß damals in der Jury in Cannes, wo der Film gezeigt wurde.

Man muss also schon sehr umtriebig sein, um wahrgenommen zu werden.

Es hilft natürlich enorm. Aus Deutschland heraus war das damals nicht so einfach. Jeder Film fand nur lokal statt und man musste froh sein, wenn die Österreicher noch davon Wind bekamen. Deshalb hat es mich damals auch so gefreut, dass „Good Bye, Lenin!“ in so vielen Ländern gut gelaufen ist. Der Blick auf Deutschland von außen ist nochmals ein anderer. So wie jetzt mit „Toni Erdmann“. Da freut man sich, wenn ein Film mit so schrägem, abwegigem Humor in Cannes so gefeiert wird. Das ist ein fantastischer Film.

Die Hauptrolle spielt Peter Simonischek, ein Österreicher.

Na ja, klar. Ganz ohne euch geht es nicht.

Unsere Zeit ist fast um. Ein paar kurze Fragen zum Schluss. Im Internet werden Sie wie folgt beschrieben: „Er ist ein charmanter, schöner Promi, hat eine schlanke Figur und ein rundes Gesicht. Sind Sie mit dieser Beschreibung zufrieden?

Was Sie da alles finden. Tatsächlich ja, jetzt mit dem Bart ist mein Gesicht noch runder. Aber der ganze Schrott, den man im Internet findet, macht einem auch Angst. Früher habe ich Postings gelesen, aber damit aufgehört, obwohl es bei mir meistens im grünen Bereich war. Trotzdem haben Leute geschrieben: „Lusche, der kann gar nix. Pisser.“ Also wirklich. Das werde ich nie wieder tun.

Sie haben mit acht Jahren einen Lesewettbewerb gewonnen. Was haben Sie damals gelesen?

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ich seit geraumer Zeit zapple. Passenderweise habe ich damals den „Zappelphilipp“ vorgelesen. Wirklich! Und weil ich gut lesen konnte, habe ich begonnen, Hörspiele zu sprechen und habe auch viel synchronisiert. Mit acht ging es mit dem Geldverdienen los. Ich war nie abhängig von meinen Eltern und konnte mir immer meinen eigenen Kram kaufen.

Stimmt es, dass Sie mit Benedict Cumberbatch befreundet sind? Seit „Sherlock“ bin ich ein Fan.

Er ist zwar genauso viel unterwegs wie ich, aber er ist einer von denen, wo der Kontakt über einen Film hinaus geblieben ist.

Bitte richten Sie ihm schöne Grüße aus, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen.

Ja danke, werde ich machen.

Info: Mehr über den Film "Jeder stirbt für sich allein" lesen Sie heute, Samstag, 19. November, in der freizeit.

Daniel Brühl, 38, wurde 1978 in Barcelona geboren und ist der Sohn eines deutschen TV-Regisseurs und einer spanischen Lehrerin. Er war schon als Kind ein Sprachentalent und spricht außer Deutsch und Spanisch perfekt Französisch und Englisch. Mit acht gewann er einen Lesewettbewerb und kam so zur Schauspielerei. Eine Schauspielschule hat er nie besucht. Trotzdem feierte er als 25-Jähriger seinen Durchbruch in „Good Bye, Lenin“. Großartige Rollen folgten, darunter auch in Blockbustern wie „Inglourious Basterds“. Brühl ist in der Hollywood- A-Liga angekommen. Seine neueste Rolle: Vater. Wenn Sie das lesen, hat Brühls
Freundin Felicitas vielleicht schon das erste Kind des Paares zur Welt gebracht.

Brühls neuester Film „Jeder stirbt für sich allein“ ist seit 18.11.2016 im Kino zu sehen.

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