Weil Hass ein Gefühl mit sehr viel Geduld ist

Jean Prévost starb 1944 mit 43 Jahren als Widerstandskämpfer
Warum der Schriftsteller Jean Prévost eine Wiederentdeckung wert ist

Beim Boxen hat er mit seinem harten Schädel Hemingways Daumen gebrochen. Damals war Jean Prévost, der als junger Pariser Autor neben Hemingway und F. Scott Fitzgerald in Silvia Beachs legendärer Buchhandlung "Shakespeare and Company" ein und aus ging, stolz auf diese Episode.

Er wusste eben nicht, dass dieses Missgeschick die Nachwelt nachhaltiger an ihn erinnern würde als seine Romane. Die zweite Anekdote, die Kenner im Zusammenhang mit Prévost gerne erwähnen, hat zumindest mit seinem literarischen Schaffen zu tun: Als Redakteur der Literaturzeitschrift Le Navire d’argent entdeckte er den Autor im Piloten Antoine de Saint-Exupéry, indem er seinen ersten Text publizierte.

Das andere Deutschland

Im deutschen Sprachraum ist Jean Prévost heute wenig bekannt. Und das, obwohl er sich in Frankreich einst für Deutschland starkmachte: Als Hitler an die Macht kam, appellierte er, man müsse das "andere Deutschland" stärken, jenes von Goethe, Hölderlin und Heine.

Prévost starb als Widerstandskämpfer, er wurde von einer deutschen Patrouille im Alter von 43 Jahren erschossen. Er soll das Manuskript seines Baudelaire-Buches, das er als Literaturwissenschaftler herausgeben wollte, dabei gehabt haben. So unermüdlich kämpferisch wie sein Autor ist auch der Protagonist von Prévosts Roman "Das Salz in der Wunde", der jetzt zum ersten Mal auf Deutsch zu haben ist.

Die Aufstiegsgeschichte

Mit 33 Jahren schrieb der aus der Normandie gebürtige Schriftsteller diese erstaunliche Aufstiegsgeschichte eines jungen Parisers in der Verlags-und Politik-Szene: Der junge Jurist Dieudonné Crouzon macht im Provinznest Châteauroux Karriere. Zunächst als Journalist, später als Verleger und Lokalpolitiker. Erstaunlich ist an dieser Karriere vor allem ihr Antrieb: Rache. Sie ist das "Salz in der Wunde", das ihn zum verbitterten und letztlich erfolgreichen Kämpfer macht.

Cruzon, der Paris verlassen musste, weil er sich von seinem Bekanntenkreis verleumdet fühlte, steigt mit zusammengebissen Zähnen auf; das Gefühl, "es" den ehemaligen Freuden zu zeigen, wird zur Antriebsfeder. Und das ist das Besondere an diesem frei von moralischen Wertungen, ansonsten konventionell erzählten Roman. Psychologisch überaus klug, stellt er fest: Hass macht geduldig. Seine Beharrlichkeit kann Stärke und Erfolg hervorbringen und daraus können Begehren und ja, letztlich auch Liebe entstehen.

Neben dieser raffinierten Persönlichkeitsstudie erzählt Prévost vom Geschäftsalltag, vom Anzeigengeschäft und den teils auch heute noch gültigen Geschäftsmodellen einer Provinzzeitung: Mit Agenturmeldungen ist nichts zu gewinnen, die Lokalberichterstattung zählt.

Weil Hass ein Gefühl mit sehr viel Geduld ist
COVER
Info: Jean Prévost:„Das Salz in der Wunde“. Mit Nachwort von Joseph Hanimann.

Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky. Manesse. 288 Seiten. 25,70 Euro.

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