Denn Kaiser Karl I. hatte bekanntlich im November 1918 auf die Regierungsgeschäfte verzichtet. Nicht aber sein Namensvetter, Karl von Nesterval: Der außereheliche Sohn von Kaiser Franz Joseph (er behauptet dies jedenfalls) erhebt Anspruch auf den Thron. Und weil bei der Familie Nesterval das Matriarchat gelebt wird, ist es dessen Ehefrau Cosima (Mimi Hie), die sich berufen fühlt, Deutsch-Österreich mit Milde und Umsicht zu regieren. Am 24. Dezember 1918 sollen daher der illustre Hofstaat und die Bediensteten sie als Kaiserin anerkennen. Das Schöne dabei: Man kann dem denkwürdigen Ereignis beiwohnen – und nicht bloß als Kiebitz.
Denn die Gruppe Nesterval rund um Martin Finnland bezieht das Publikum in ihre Geschichte mit ein – per Losentscheid zu Beginn als niederer Adel oder als Dienerschaft. Beide Gruppen erleben die Ereignisse der nächsten zwei Stunden daher aus anderen Perspektiven. Zugleich handelt es sich bei dieser Soap – der Leibjäger hat ein Verhältnis mit der Kaiserin, der Bischof agiert zunehmend opportunistisch – um eine Nachstellung der Ereignisse auf dem Schloss.
Denn Kaiser Karl hatte sich mit der Familie tatsächlich nach Eckartsau zurückgezogen. Über das damalige Weihnachten (Feier in der Bibliothek, Bescherung, Mette) weiß man aufgrund der Aufzeichnungen des Chefkochs recht genau Bescheid. Schlossmanagerin Elisabeth Sandfort hatte daher die Idee, die Gruppe Nesterval zu einer Re-Inszenierung einzuladen.
Man lernt also spielerisch diverse Räume, Gänge, Winkel kennen. Und man ist über die Duplizität der Ereignisse verblüfft. Denn damals war Krieg gewesen. Und eine Pandemie wütete: Auch Kaiser Karl hatte die Spanische Grippe. Zum Schluss serviert die Dienerschaft im Innenhof Bouillon – wie einst am 24. Dezember. Ein sympathischer Abend mit Systemkritik und viel Witz.
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