Weihnachtsfilme im Streaming: Das Fest der 1000 Sixpacks
Von "Hot Frosty" bis Dwayne Johnson: Wer nach ausgiebigem Kekserlgenuss seinem Waschbärbauch ein paar Waschbrettbäuche zeigen will, ist mit dem diesjährigen Weihnachtsprogramm der Streamingdienste bestens bedient.
Besinnlich ist natürlich anders. Wer sich beseelt die Kerzen am Adventkranz angezündet hat, um sich ein erhabenes saisonales Werk zu Gemüte zu führen, der wird schon in den ersten Minuten von „Hot Frosty“ rote Backerl bekommen. Und da wird nicht der Punsch Schuld sein. Zu diesem Zeitpunkt läuft ein nackter, überaus muskulöser Mann durch eine verschneite Stadt, er trägt nur einen roten Schal, der immerhin wie magisch an seinem Gemächt befestigt ist. Kurz davor war er noch ein Schneemann.
Natürlich nicht der übliche rundliche Geselle, weil: Muskeln. Viele Muskeln. Zum Leben erwacht ist er, weil die einsame Kathy ihm besagten roten Schal umgehängt hat. Er kommt dann bei ihr unter, da trifft es sich auch gut, dass ihre Heizung gerade kaputt ist. Denn Wärme verträgt Jack nicht so gut. Den Namen hat er von einem Overall, mit dem er seine Blöße bedeckt hat. Also bis auf die Muskeln. Natürlich verlieben sich die beiden, natürlich schmilzt er fast (er wird nur bewusstlos, Special Effects sind teuer, siehe Schal und Gemächt), natürlich wird der Bösewicht geläutert und natürlich muss er sehr viel ohne Hemd erledigen. Ach und natürlich gibt es ein Happy End.
Idee von YouPorn?
Diese unkonventionelle Variante eines beliebten Kinderbuchs („Der Schneemann“ von Raymond Briggs von 1978), das wiederum inspiriert ist vom Song „Frosty the Snowman (1950) muss einem einmal einfallen. Der Verdacht liegt allerdings nahe, dass ein Ideentransfer von einschlägigen Erwachsenenseiten der bizarren Kategorie stattgefunden hat. Das ist jetzt aber schwer nachzuprüfen.
Mit „Hot Frosty“ hat Netflix aber einen kleinen Überraschungshit gelandet, für den möglicherweise die Mischung aus unartigen Gedanken und unschuldiger Umgebung, die an das Stars Hollow der „Gilmore Girls“ erinnert, verantwortlich ist. Ähnliches probiert nämlich auch der Film „Merry Gentlemen“. Die Broadway-Tänzerin Ashley wird aus der Weihnachtsshow gefeuert und von einer jüngeren ersetzt. Sie kehrt zurück in die Kleinstadt, in der ihre Eltern eine Musikbar betreiben. Nicht sehr lukrativ allerdings zuletzt. Ashley will den Schuldenberg abbauen. Und weil der neue Tischler im Ort einmal Stripper war, liegt auf der Hand, wie: Mit einer Show à la Chippendales. Sie gestaltet die Choreografie und als Tänzer wird neben Luke unter anderem der Taxifahrer gecastet.
Sexy wie Großvati Petz
Das könnte „Ganz oder gar nicht“-Charme haben, aber dafür sind zu viele Sixpacks im Spiel. Kurz noch zur Handlung: Ashley und Luke verlieben sich, sagen das aber um Gottes Willen nicht, obwohl sie zwei erwachsene Menschen sind. Ashley könnte wieder zurück in ihren alten Job und muss sich zwischen Liebestraum und Berufstraum entscheiden. Natürlich entscheidet sie sich für die Liebe. Das schönste an dem Film sind die in weihnachtlichem Neon leuchtenden Cowboyhüte, die sich weiderum nie jemand vors Gemächt hält. Dieser Striptease ist nämlich der züchtigste seit Großvati Petz den Mantel abgelegt hat, nachdem er aus dem Schnee heimgekommen ist. Oder anders gesagt: Jede einzelne Hose bleibt an. Das nur, um keine falschen Erwartungen zu wecken.
In Richard Curtis berühmtesten Film ist das zum Beispiel nicht der Fall. Bill Nighy muss bekanntlich als alternder Rockstar Billy Mack seinen holprigen Hit „Christmas is all around“ hüllenlos im Fernsehen spielen, nachdem er es auf Platz eins der Charts geschafft hat. Nighy ist übrigens auch bei Curtis' neuem Weihnachtsfilm dabei, als Stimme des Leuchtturmwächters Bill. „Ein klitzekleines Weihnachtswunder“ heißt der garantiert Bizeps-freie Trickfilm, der bei Netflix abrufbar ist. Der Weihnachtsmann persönlich erzählt die Geschichte von diesem einen, sehr problematischen Weihnachten in der britischen Küstenstadt Wellington-on-Sea.
Tatsächlich woke?
Er hat ein paar Anleihen an „Tatsächlich, Liebe“, es gibt ein Krippenspiel mit Broccoli statt Schafen, auch hier ist ein junger Bursche in ein Mädchen verliebt, das ihn nicht beachtet zum Beispiel. Und es gibt auch eine ganz konkrete Anspielung auf den „Weihnachtsklassiker“ - ihn wie jedes Jahr wieder anzuschauen ist eines jener Dinge, die die Kinder dieses Jahr einmal anders machen wollen. Die beste Figur ist eine grantige mittelalte Lehrerin, die am Ende die Rettung von Weihnachten - und eines kleinen Mädchens - in die Hand nimmt. Insgesamt hat man sich hier echt Mühe mit den weiblichen Figuren gemacht, was dem Film kurioserweise den Vorwurf von zu viel Wokeness eingebracht hat. Ein neues Gefühl für Richard Curtis, der für „Tatsächlich Liebe“ immer wieder vor allem in den Sozialen Medien Schelte hört , wie unzeitgemäß seine Darstellung von Beziehungen ist.
Dort, auf Sozialen Medien nämlich, hat ein anderer Netflix-Film für unbesinnliche Aufregung gesorgt. „Maria“ erzählt die Geschichte, ohne die es Weihnachten nicht gäbe, aber aus der Sicht von Jesu Mutter. Anthony Hopkins spielt einen genüsslich grausamen Herodes, aber das ist es nicht, was die Gemüter erregt. Die Rollen von Maria und Josef spielen israelische Juden. Für den Internetmob ein Skandal, seien die Eltern Jesu doch Palästinenser gewesen. Eine Ansicht, die sich zumindest in dieser heutigen Perspektive historisch nicht untermauern lässt und wohl nur eine weitere Gelegenheit für antisemitische Parolen ist. Und so ist ein harmloser Bibel-Actionfilm mit Erzengel-Zaubertricks und Feuerball in Bethlehem gleich in einen Weltkonflikt verstrickt, willkommen in der Krisenweihnacht 2024.
Die anderen Streamingportale haben heuer Netflix ziemlich das Feld überlassen bei der Saisonfilmware. (Es gibt auch noch „Our little Secret“: Lindsay Lohan isst CBD-Gummibärli und kriegt den Mann trotzdem, sorry für den Spoiler). Auf Amazon rettet Dwayne „The Rock“ Johnson mit Waschbrettbauch in „Red One“ den Weihnachtsmann und in der Anagramm-Komödie „Dear Santa“ mit Jack Black mit Waschbärbauch wird Santa mit Satan verwechselt. Disney hat ohne viel Aufsehen Ben Stillers Spielfilm-Comeback „Nutcrackers“ ins Programm gehoben. Er spielt den karrierezentrienten Maxwell, der mit seinem gelben Ferrari kurz vor Weihnachten über schlammige Landstraßen zu seinen fünf Neffen fährt, deren Mutter gerade gestorben ist. Eigentlich soll der Onkel nur Papiere unterschreiben für die Adoption, aber da ist etwas schiefgegangen.
Ein Pfau im Schaumbad
Also muss er mehr Zeit als erwünscht mit den Kindern verbringen, die er teilweise zum ersten Mal überhaupt sieht. Schon das Ankommen ist eine Herausforderung: Er bekommt vom Polizisten eine Rechnung überreicht vom Karussell, das sie am Vorabend ruiniert haben und ein Pfau stürmt klitschnass aus dem Haus, wo ihm ein Schaumbad verpasst werden sollte. Es gibt noch viele andere Tiere, Hunde, Katzen, Schweine, Hendl und eine Schlange im Klo. Als die Fürsorgerin kommt und ihm mitteilt, dass sie für zwei der fünf eine Pflegefamilie gefunden hat und der Rest in ein Heim soll, sind ihm die schlechterzogenen Freigeister schon so ans Herz gewachsen, dass er bleibt. Was wieder die nächsten Probleme bringt. Ein ans Herz gehender Film (nur englisch), der mit schrägem Humor und leiser Melancholie aus dem Angebot heraussticht. Und praktisch ohne nackte Haut.
Dafür muss man halt dann doch bei Netflix bleiben. Man kann dort auch die Comedy-Musikshow vom Popdurchstarterin des Jahres Sabrina Carpenter („Espresso“) sehen, die trägt ein Santa-Claus-Playboybunny-Spielhoserl, wenn sie ihre Gäste Chappell Roan, Shania Twain oder Cara Delevigne begrüßt. Sehr muskulös sind die aber alle nicht.
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