Was bedeutet der Hype um "Lady Bird" wirklich?

Das Regiedebüt von Greta Gerwig überzeugte soviele Kritiker wie kein anderer Film. Aber ist er deshalb gut?

Es gibt die Oscars, die Goldenen Palme, den Goldenen Bären,... und es gibt die Internetplattform Rottentomatoes.com. Und dort räumt gerade das Regiedebüt einer 34-jährigen Schauspielerin alles ab, was es zu holen gibt: Greta Gerwig hat mit "Lady Bird" nach 182 Besprechungen renommierter Filmkritiker immer noch das lupenreine Ergebnis von 100 Prozent vorzuweisen. Das klingt erst einmal banal, ist aber ein absoluter Rekord auf der Plattform: Der letzte Film, der annähernd oft von Kritikern empfohlen wurde, war 1999 "Toy Story 2", der 163 Empfehlungen in Folge einfuhr. Bisher führte er damit die Liste an.

Wie funktioniert Rottentomatoes?

Rottentomatoes fasst seit 1998 die Stimmen wesentlicher US-Kinokritiker zusammen, um ein gesamtheitliches Bild über die Qualitäten eines Filmes zu erstellen. Wobei am Ende eine vergleichsweise undifferenzierte Auswertung steht, die streng genommen nur verrät, wieviel Prozent der Kritiker einen Film in ihrer abschließenden Wertung als über dem Durchschnitt bewertet hat.

Das kann cineastische Meisterleistungen, die naturgemäß polarisieren, deutlich drücken. Ein Beispiel: Michael Hanekes Meisterwerk "Amour" (2012) hält bei 93 Prozent. 205 Kritiken wurden für den Film ausgewertet, sieben Prozent der Besprechungen fielen unterdurchschnittlich aus. Heißt das, dass "Toy Story 2" der bessere Film war? Kaum. Aber er wurde eben in den zusammenfassenden Wertungen (beim KURIER sind das zum Beispiel null bis fünf Sterne, andere Publikationen verwenden ähnliche Übersichtsbewertungen) immer über dem Durchschnitt bewertet.

Was kann der Film?

Bevor wir uns selbst ein Bild von "Lady Bird" machen können, wird es noch dauern, denn der Film ist gerade in den US-Kinos gestartet und wird erst im April 2018 im deutschsprachigen Raum zu sehen sein. Was sich aber trotz der zugegebenenermaßen fehlenden Nuancen in den Rottentomatoes-Scores sagen lässt: Dass bisher jeder Kritiker von dem Film überzeugt war, wird vielen von uns zumindest ein Kinoerlebnis bieten, nachdem wir zufrieden nach Hause gehen. Noch nie hat ein Film so gut bei so vielen Kritikern in Folge abgeschnitten. Schon gar nicht ein Regiedebüt. Wie lange der positive Lauf des Films noch anhält, wird ebenfalls noch zu beleuchten sein, denn der Hype lädt förmlich dazu ein, ihn besonders streng zu bewerten, um die makellosen 100 Prozent zu drücken.

Und was ist mit z.B. einem Oscar?

Das von einer Rottentomatoes-Bewertung abzuleiten, wäre unseriös, aber: Der Reigen um die handelsüblichen Auszeichnungen beginnt sich dieser Tage wieder langsam zu drehen. Und "Lady Bird" hat bisher gut abgeschnitten. Der renommierte US-Filmverband „National Board of Review“ kürte Gerwig diese Woche zur besten Regisseurin und der New Yorker Filmkritiker-Verband ernannte "Lady Bird" gleich zum besten Film des Jahres. (Zudem wurde Saoirse Ronan wurde für ihre Rolle als rebellische Schülerin in "Lady Bird" zur besten Schauspielerin gekürt.) Die Trophäen des 1935 gegründeten Kritikerverbands NYFCC zählen zu den ersten der vielen Filmpreis-Verleihungen in den kommenden Monaten. Mitte Dezember geben die Golden-Globe Verleiher die Nominierungen für ihre Show im Jänner bekannt. Anfang März werden dann die Oscars vergeben.

Worum geht es in "Lady Bird" eigentlich?

"Lady Bird" spielt im Jahr 2002 und ist eine Coming of Age-Geschichte einer jungen Frau, die in der kalifornischen Verwaltungsstadt Sacramento lebt und aus ihren bescheidenen Verhältnissen ausbrechen möchte. Dabei reibt sie sich an ihrer Mutter, die versucht, die Familie als Krankenschwester irgendwie über Wasser zu halten. "Lady Bird" ist der selbstgewählte Künstlername der jungen Frau.

Woher kenne ich den Namen Greta Gerwig?

Greta Gerwig (34) ist bekannt als Schauspielerin, etwa in „Jahrhundertfrauen“. Ihr Name ist eng verbunden mit dem losen Subgenre "Mumblecore", einer Spielart des Lowbudget-Films, in dem mehr auf Dialoge denn auf Handlung geachtet wird (in einem konservativeren Sprachgebrauch würde man "Stegreif" dazu sagen). 2010 spielte sie neben Ben Stiller in „Greenberg“, weltweit bekannt wurde sie nicht zuletzt durch ihre Zusammenarbeit mit Regisseur Noah Baumbach an „Frances Ha“ (2012) und „Mistress America“ (2015). Gerwig ist studierte Literaturwissenschafterin und Philosophin. Ihr Regiedebüt hat autobiografische Züge, denn auch Gerwig stammt aus Sacramento.

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