"Walküre" in Salzburg: Meisterhafte Mogelpackung

Die Walküre
Osterfestspiele: Zum 50-Jahr-Jubiläum gab es in Salzburg, wie einst, Wagners "Walküre": Musikalisch erstklassig, szenisch ein großes Missverständnis.

Ja, Ihr Rezensent muss zugeben: 1967, als die Salzburger Osterfestspiele von Herbert von Karajan gegründet wurden, war ihm Oper noch ziemlich egal und man hätte ihn an einem Babystuhl festzurren müssen, damit er eine fünf Stunden lange Wagner-Oper durchsitzt. Insofern kann er nicht sagen, ob Wotan damals von rechts oder von links auftrat; ob die Walküren ebenso nur herumstanden wie nun im Großen Festspielhaus; oder ob Hunding seiner Sieglinde auch derart zwischen die Beine griff.

Beobachter von damals (und es saßen zahlreiche von ihnen auch diesmal im Publikum) sagen jedenfalls, dass "Die Walküre" vor 50 Jahren viel düsterer, mystischer, geheimnisvoller war. In Kenntnis anderer Regiearbeiten Karajans (die szenische Komponente war ja nicht seine allergrößte Begabung) kann man getrost behaupten: Das Heutige hat so gut wie nichts damit zu tun.

Die Hommage

Aber kommen wir zum Anlass, der diese Präambel nötig macht:

1967 wurden die Osterfestspiele von Karajan gegründet. Mit einer Produktion der "Walküre", inszeniert von ihm selbst, zum Glück auch dirigiert von ihm, mit Günther Schneider-Siemssen als Bühnenbildner. Nun, 50 Jahre nach der Gründung und fünf Jahre nach der Abwanderung der Berliner Philharmoniker, wurde von Jens Kilian das damalige Bühnenbild rekonstruiert.

Darin liegt schon der erste Fehler: Durch diesen Nachbau wird die Neuproduktion (oder Altproduktion?) der "Walküre" eine Hommage an den Bühnenbildner und nicht zwingend an Karajan.

Der zweite Fehler: Die damalige Aufführung (so wissen es viele Besucher von einst) war optisch in keinster Weise überragend oder sonderlich innovativ. Die Esche im ersten Aufzug sieht aus wie alle Eschen an der Wiener Staatsoper bis zum Bechtolf-"Ring". Die Idee mit einem großen Ring auf der Bühne, der sich öffnen und schließen kann, ist hübsch, aber ebenso naheliegend. Und selbstverständlich ist so gut wie nichts daran authentisch: Die Materialien sind anders, die heutige Lichttechnik (zu Beginn etwa projizieren riesige Scheinwerfer eine Iris auf den Vorhang) hat es damals noch nicht gegeben, die Kostüme sind (in diesem Fall zum Glück) völlig neu.

Wohl in Kenntnis all dieser Problemzonen wurde in Salzburg zuletzt betont, dass diese Re-Kreation ohnehin eine Neu-Kreation sei. Da jedoch soeben an der Oper in Lyon ebenso alte legendäre Inszenierungen gezeigt wurden (jedoch aus ihrem politischen Kontext gerissen), sei festgestellt: Wer in der Mottenkiste kramt, muss das besonders behutsam und klug machen, sonst trägt er dazu bei, dass die Kunstform Oper endgültig dort landet, wo sie mancherorts (mit Billigung der Radikal-Traditionalisten) bereits ist: im Museum.

Die Inszenierung

Aber zurück nach Salzburg: Der vielleicht größte Fehler an dieser Kreation ist die Regie von Vera Nemirova. Sie scheint einerseits in Ehrfurcht vor Karajan zu erstarren (wofür es inszenierungsmäßig kein Grund gibt) und setzt auf biederstes Stehtheater. Manche Regieeinfälle wiederum (das Steckenpferd von Brünnhilde etwa) sind läppisch. Man weiß, dass Schneider-Siemssen auf seine Projektionen, die er mithilfe von bemalten Glasscheiben erreichte, sehr stolz war. Nun sind ebenso Projektionen zu sehen: Namen, Stammbäume etc. – das kennt man leider schon von so vielen Aufführungen. Die Personenführung ist uninteressant, teils inexistent. Wenn es magische Momente gibt, dann sind diese der Ausstrahlung der Protagonisten geschuldet. Wunderbar ist etwa die Todesverkündung.

Diese Aufführung ist insgesamt also ein bissl alt, sehr altmodisch, in Teilen neu und vor allem irgendetwas dazwischen. Eine Mogelpackung.

Die Sänger

Allerdings eine musikalisch und sängerisch beeindruckende. Mit dieser Besetzung mit zahlreichen Debütanten ist den Osterfestspielen ein veritabler Erfolg gelungen.

Peter Seiffert ist ein Siegmund mit strahlender Höhe (und nicht sonderlich markanter Tiefe), dem man seine durchaus schon lange Karriere nicht anhört. Sein Tenor ist nach wie vor frisch, heldisch, zu schönen Kantilenen fähig. Die "Wälse"-Rufe hält er so lange wie einst Johan Botha oder zuletzt Jonas Kaufmann auf CD, die Winterstürme gestaltet er wie ein Schubert-Lied. Anja Harteros ist als Sieglinde eine Wucht. Sie singt diese Partie traumhaft schön, dennoch hochdramatisch, als wollte sie beweisen: Ich kann auch Wagner. Und wie! Ein fabelhaftes Wälsungen-Paar also.

Vitalij Kowaljow singt den Wotan mit seinem kompakten, in allen Lagen sicheren Bass bis zum Finale ausreichend kraftvoll und berührend. Anja Kampe ist als Brünnhilde eine einzige Freude: Sie spielt exzellent, ist in den Hojotoho-Rufen durchschlagskräftig, singt die Partie aber gleich bei ihrem allerersten Mal so schön, wie man es schon lange nicht mehr gehört hat. Sie bekam den meisten Applaus.

Georg Zeppenfeld singt den Hunding wortdeutlich und prachtvoll – als Erscheinung ist er in dieser Regie etwa so gefährlich wie ein Chihuahua von einem Hunding. Auch Christa Mayer als solide Fricka könnte in einer anderen Inszenierung darstellerisch präsenter sein. Diese Besetzung ist jedenfalls nicht nur eine Möglichkeit, sondern teilweise ein Versprechen für die Zukunft.

Der Dirigent

Bejubelt wurde auch Dirigent Christian Thielemann, der die Sächsische Staatskapelle Dresden höchst sensibel dirigiert und "Die Walküre" als romantisches Meisterwerk mit Mut zum Pathos zelebriert. Seine Pianissimi sind beeindruckend, die zahlreichen gesetzten Generalpausen dramaturgisch plausibel, die Tempi sehr getragen, Wotans Abschied etwa nimmt er extrem langsam.

Thielemann agiert auch äußerst sängerfreundlich und trägt die Protagonisten über die schwierigsten Passagen. Das Orchester spielt zumeist präzise, klanglich gäbe es Möglichkeiten nach oben.

Die musikalische Umsetzung ist auf der Höhe unserer Zeit – im Gegensatz zur optischen, die so zu keiner Zeit gut gewesen wäre.

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