Vom kanadischen Dramatiker, Schauspieler und Regisseur libanesischer Herkunft, der auf Französisch schreibt, sah man vor zwölf Jahren im Akademietheater dessen erstes Erfolgsstück „Verbrennungen“. Auch in „Vögel“ widmet sich Mouawad verschachtelt dem Nahostkonflikt, indem er die nicht ganz einfache Geschichte der jüdischen (und auch klischeebehafteten) Familie Zimmermann erzählt.
Just beim Pessach-Fest eröffnet Eitan, von Jan Bülow mit zappeligen ADHS-Symptomen ausgestattet, seinen in Berlin lebenden Eltern, sich beim Studium in New York in eine Amerikanerin mit arabischen Wurzeln, Wahida, verliebt zu haben. Der strenggläubige Vater kann es nicht fassen: Sein Sohn spucke ihm gleich zweimal ins Gesicht.
Großvater Etgar, der als Kind den Holocaust überlebt hat, ist herzzerreißend verzweifelt. Und Sabine Haupt glänzt als anorektische Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Soll er sie ruhig lieben, beruhigt sie. Das hält doch eh nicht! Aber dann scheuert sie dem Sohn eine.
Eitan, Biologe und Rationalist, meint trotzig, es sei ihm scheißegal, wenn seine Kinder aufgrund einer arabischen Mutter keine Juden würden. Zumal im Sperma, mit dem der Vater 1966 gezeugt wurde, „kein KZ drinnen“ gewesen sei. Worauf Markus Scheumann als verbissen schmallippiger Vater David mit biblischer Härte reagiert (eine ähnliche Problematik, nur auf muslimischer Seite, behandelt Ayad Akhtar in „The Who and the What“).
Um dem Vater den Beweis zu erbringen, sammelt er das Besteck ein und analysiert die DNA. Das Ergebnis lässt ihn zusammen mit Wahida nach Jerusalem reisen – zu seiner Großmutter. Doch bevor er Leah sprechen kann, wird er Opfer eines Terroranschlags. So treffen sich alle an seinem Krankenbett. Und können nicht mehr weg, weil sich die politische Lage dystopisch zuspitzt. Nun ist die Zeit gekommen, sich den Lebenslügen zu stellen (eine ähnliche Problematik behandelt Akhtar in „Geächtet“). Es geht um Identität, die Suche nach Wahrheit und die Weisheit, nicht zu schnell gegen die Mauer der Erkenntnis zu rasen.
Eli Gorenstein rührt mit der Geschichte seines Etgar, der 1967 als Soldat in eine palästinensische Siedlung eindrang, zu Tränen. Wahida gesteht, sich die Haut gebleicht zu haben, um ihre arabische Herkunft zu verschleiern. Und Norah erzählt vom Schock, als sie mit 14 nebenbei erfuhr, eine Jüdin zu sein.
Doch Mouawad und Itay Tiran als Regisseur würzen all die Geständnisse (in vier Sprachen mit Übertitelung) mit humoresken Einlagen. Sabine Haupt z.B. gerät im Telefonat mit dem Sperma-Franz derart in Wallungen, dass sie sich die Strumpfhose von den Beinen reißen muss. Und Salwa Nakkara begeistert als kernig-trockene Leah.
Die Wahida der Deleila Piaskos, ein „Engel im roten Kleid“, der durch sein Erscheinen alles ins Rollen gebracht hatte, bekennt sich unterdessen zu ihrer Herkunft – und tritt auf die andere Seite der israelischen Mauer. Mitunter wird ein wenig zu dick aufgetragen, Mouawad überstrapaziert die Vogel-Methapher, die eingestreuten Bezüge sind zu offensichtlich und die Videoillustrationen von Yoav Cohen tendieren zum Kitsch. Aber die Gesamtleistung des Ensembles – mit Yousef Sweid und Nadine Quittner in Nebenrollen – besticht.
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