Die Rache der Venus

Legt dem unterwürfigen Severin das Halsband an: Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric als S-M-Gespann in Polanskis "Venus im Pelz"
"Venus im Pelz": Roman Polanskis brillant-witziges Geschlechterduell nach Sacher-Masoch. Weiters: Luc Bessons Mafia-Komödie "Malavita" mit Robert De Niro und Robert Thalheims "Eltern".

Schon zuletzt hat Roman Polanski mit „Der Gott des Gemetzels“ ein glückliches Händchen in der Auswahl populärer Bühnenstoffe bewiesen. Seine Adaption des New Yorker Theater-Hits „Venus im Pelz“ gelang ihm jedoch noch bei Weitem unterhaltsamer. Zum einen ist sie nicht – wie in „Gemetzel“ – von der Beleidigtheit eines von „Political Correctness“ verfolgten Regisseurs angekränkelt.

Zum anderen kocht Polanski nun seine psychosexuelle Suppe der Geschlechterverhältnisse mit ironischem Blick auf die eigene Rezeptur.

Der fantastisch-fieberhafte Mathieu Amalric in seiner Rolle als Theaterregisseur fungiert dabei als relativ naheliegendes Stand-in für den Filmemacher. Dass er dabei dem jungen Polanski auch noch streckenweise wie aus dem Gesicht gerissen ähnelt, steigert nur das Interpretationsvergnügen.

Auch sonst bleibt alles in der Familie: Emmanuelle Seigner, Polanskis Ehefrau, gibt mit sichtlicher Spielfreude eine Kaugummi kauende, nuttige Reserve-Femme-Fatale namens Vanda. Den üppigen Leib in schwarze Reizwäsche geschnürt, stürmt sie zu einem Vorsprechtermin in ein Pariser Theater. Dort hat Amalric als Regisseur Thomas gerade die Suche nach der Hauptdarstellerin für seine Produktion von Sacher-Masochs „Venus im Pelz“ aufgegeben.

Die jungen Schauspielerinnen seien einfach alle zu dämlich, teilt er gerade seiner Verlobten wutschnaubend am Telefon mit. Auch mit der prolligen Vanda kann er nichts anfangen. Noch so eine blöde Kuh, die glaubt, „Venus im Pelz“ sei ein Song von Lou Reed.

Mit Pelz und Peitsche

Tatsächlich macht Vanda vorerst nicht den hellsten Eindruck. Den Text hätte sie gerade in der U-Bahn überflogen, und, ach so, er sei von einem Österreicher („Sie sprechen Österreichisch?“) Mit Mühe lässt sich Thomas dazu überreden, Vanda vorsprechen zu lassen und übernimmt bei der Leseprobe die Rolle des unterwürfigen Severin. Dessen höchstes Glück besteht bekanntlich darin, sich einer schönen, Peitsche schwingenden Frau im Pelz zu unterwerfen.

Während Vanda mühelos zwischen Pariser Proletin und dominant-erotischer Herrin hin- und her gleitet, identifiziert sich Thomas zunehmend mit den sexuellen Vorlieben seiner Figur.

Die große Komik des Stücks entsteht dabei durch Vandas süffisante, post-feministische Schlagfertigkeit. Es ist praktisch die Rache der Venus: Thomas’ Schwärmerei von hoher Weltliteratur und fataler Weiblichkeit schmettert sie mit „S/M-Porno“ ab. Auch seinem Begehr nach Frauen in Pelzmänteln kann sie wenig Erhabenes abgewinnen („Sie sollten einen Fischotter heiraten“).

Seigner sprüht nur so vor maliziösem Witz, während der verknallte Amalric mehr und mehr den bedürftigen Blick eines Welpen bekommt. Die kongeniale Musik von Alexandre Desplats kommentiert mit karnevalistischem Geigengekicher den famosen Pas de deux der Geschlechterklischees.

Der Regisseur bei seinem erotisch-tragischen Schöpfungsakt der Frau: Polanski hat sich dafür herrlich viel Platz für Satire genommen.

"Venus im Pelz". F/PL 2013. 96 Min. Von Roman Polanski. Mit Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric.

KURIER-Wertung:

Komödie/Thriller. Mafiosi hat Robert De Niro schon viele gespielt, mitunter solche mit Alltagsproblemen. So auch in Luc Bessons Komödie „Malavita – The Family“: Der New Yorker Pate Giovanni Manzoni hat gegen seinen Mafia-Clan ausgesagt und ist durch das Zeugenschutzprogramm in der Normandie gelandet, wo er als Schriftsteller getarnt mit Frau, Kindern und Hund lebt.

Die Rache der Venus

Die Widrigkeiten der französischen Provinz bekämpft die ehrenwerte Familie auf ihre Weise: Mazonis Ehefrau Maggie (Michelle Pfeiffer) sprengt einen Supermarkt in die Luft, Tochter Belle verdrischt einen allzu aufdringlichen, pickeligen Halbwüchsigen mit einem Tennisschläger und Sohn Warren bringt an der Schule den Handel mit diversen Kleinprodukten unter seine Kontrolle.

Das Familienoberhaupt selbst kümmert sich um die Beseitigung eines Abwasserproblems. Dass eine braune Brühe aus den Leitungen fließt, schmeckt dem Ex-Gangster gar nicht. Zunächst bricht er einem vorlauten Installateur sämtliche Knochen, doch die Blutspur zieht sich weiter - bis zum örtlichen Wasserversorger.

Das alles geschieht, obwohl das FBI vor Ort ist, um die Familie zu überwachen und zu schützen. Oberaufpasser Stansfield (Tommy Lee Jones) sorgt sich außerdem, dass Mazoni beim Verfassen seiner Memoiren allzu explizit aus dem Nähkästchen plaudert.

Zwischen Komödie und Thriller

Die Rache der Venus

Malavita – The Family“ lebt vor allem von seiner exquisiten Darstellerriege – und dem Culture-Clash zwischen (Italo-)Amerika und Frankreich. Das hätte eine feine Mafia-Persiflage ergeben können. Doch Regisseur Luc Besson („Nikita“, „Léon – Der Profi“), Meister des französischen Popcornkinos, hat die Spirale der Gewalt ziemlich überdreht. Das wirkt dann so, als sei ein harter Mobster-Thriller mit einer Komödie wie „Reine Nervensache“ verschnitten worden. Als schließlich auch noch Manzonis finstere Ex-Kollegen durch den beschaulichen Ort streifen, ist endgültig Schluss mit Komödie.

Etwas bemüht wirkt letztlich die Hommage an Martin Scorseses „Goodfellas“, die Besson als Film im Film in die Handlung eingebaut hat. Mit dem Mafia-Epos aus dem Jahr 1990 (ebenfalls mit De Niro) hatte Scorsese, der übrigens bei „Malavita“ mitproduzierte, neue Genre-Maßstäbe gesetzt. Luc Bessons aktueller Regiestreich hingegen zeigt sich seltsam unentschieden zwischen mehreren Genres.

"Malavita - The Family". USA/F 2013. 111 Min. Von Luc Besson. Mit: Robert De Niro, Michelle Pfeiffer, Tommy Lee Jones.

KURIER-Wertung:

Die Rache der Venus

Tragikomödie. Das Auto steckt im Stau, das Kind muss pinkeln. Was macht der gewiefte Vater? Er lässt es in eine Tupperware-Dose lullen. Die Schwester findet das normal, das neue Au-pair-Mädchen einfach nur ekelhaft.

Aber damit ist jetzt Schluss: Jahrelang hat Konrad den Familienbären gespielt, während die Ehefrau als Hauptverdienerin das Haus verließ. Nun will er zurück ins Arbeitsleben. Nur: Wer bleibt bei den Kindern?

Der Berliner Regisseur Robert Thalheim („Am Ende kommen Touristen“) untersucht alternative Familienkonzepte auf ihre Kinder- und Karriere-Tauglichkeit. Er tut dies eine Spur zu überspitzt – das Au-pair ist schwanger, das Kind fällt fast aus dem Fenster –, aber mit genügend Humor und Scharfblick: für Menschen, die nicht nur gute Eltern, sondern auch ein Paar sein wollen.

"Eltern". D 2013. 90 Min. Von Robert Thalheim. Mit Christiane Paul, Charly Hübner, Clara Lago.

KURIER-Wertung:

"Der Letzte der Ungerechten"

Der gefeierter „Schoah“-Regisseur Claude Lanzmann unterhält sich in seiner knapp vierstündigen, hervorragenden Doku mit dem ehemaligen Wiener Rabbiner Benjamin Murmelstein. Murmelstein fungierte als sogenannter „Judenältester“ im Getto von Theresienstadt und musste sieben Jahre lang Eichmanns Anweisungen umsetzen. Nach dem Krieg wurde ihm Kollaboration mit den Nazis vorgeworfen. Lanzmann führte die Interviews 1975 in Rom und ergänzte sie mit einem Lokalaugenschein der Schauplätze aus heutiger Sicht. Ein brillantes Stück Zeitgeschichte.

"Die Legende vom Weihnachtsstern"

Herzerwärmend altbackene Märchenverfilmung aus Norwegen, in der die Bösen alle noch schwarzhaarig und die Guten alle blond sind. Die 14-jährige Sonja macht sich für den König auf die Suche nach dem Weihnachtsstern. Ein Wichtel und sein Wichtelstaub helfen ihr dabei, ebenso wie Nordwind und Weihnachtsmann.

"Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire"

Punktgetreu nach dem Bestseller von Suzanne Collins’ düsterem Teenage-Fantasy-Dreiteiler liefert Regisseur Francis Lawrence eine emotional hintergründige und politisch ambitionierte Fortsetzung der Hungerspiele ab. Im Mittelpunkt steht wieder die herausragende Jennifer Lawrence als Bogenschützin Katniss Everdeen. Diesmal muss sie gegen Gewinner früherer Turniere antreten. Eine ausführliche Kritik dazu finden Sie hier.

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