Ein lichtscheuer Hipster

Vampir-Zeichner Joann Sfar: Autor, Regisseur, zweifacher „César“-Preisträger
Das patscherte Leben eines Blutsaugers mit Zahnstein.

Er ist ein Vampir wie du und ich: Ein deprimierter Großstädter mit Beziehungsproblemen und Rückenschmerzen. Der Bücher verborgt und nicht mehr zurückbekommt (er liebt Hölderlin), alte Platten sammelt und von einer Liebeskatastrophe in die andere stolpert. Der Zahnstein und ein unaufgearbeitetes Mutter-Problem hat.

Joann Sfars "Vampir" ist ein liebenswerter Lichtscheuer, der mit seiner Umhängetasche ein wenig wie ein Neubaugassen-Hipster durch die Jahrhunderte schwebt und beim Leute aussaugen ein schlechtes Gewissen hat: Vampir Ferdinand tut das nur, wenn es unbedingt sein muss und wenn, dann höchstens ein Schlückchen zum Kosten. Wird es doch mehr, entschuldigt er sich bei seinem Opfer.

Er ist, sagt er, ein "humanistischer Vampir".

Joann Sfars Comic "Vampir" ist in Frankreich Kult. Der mehrfach ausgezeichnete 43-jährige Autor vermengt darin Versatzstücke aus Literaturgeschichte, Philosophie und Vampir-Klischees, unterlegt mit melancholischem Humor, wie man ihn schon aus dem Comic "Die Katze des Rabbiners" kennt, für dessen Verfilmung Sfar seinen zweiten César er hielt.

Den ersten gab es für "Gainsbourg", mit dem Sfar 2010 als Regisseur und Drehbuchautor debütierte.

Nachts im Museum

Ferdinand ist ein ewig Suchender, der sich nach Geborgenheit auch außerhalb des Sarges sehnt und nachts ins Museum geht, um sich die Sonne auf Bildern anzusehen. "Er wurde geboren, als ich Murnaus Nosferatu entdeckte", sagt Sfar über den liebenswürdigen Blutsauger:

Vampir-Mädchen finden den Stil des freundlichen Allerwelt-Vampirs "altmodisch, aber cool"– obwohl ihnen Marilyn Manson besser gefällt. Ferdinand wiederum findet Frauen im Gothic-Style "zum Anbeißen", kann jedoch mit ihrer Musik ("Nine Inch Nails") nichts anfangen. Er beschäftigt sich lieber mit seiner Katze Imhotep, benannt nach dem ägyptischen Baumeister. Reminiszenzen an (Pop-)Kultur und Weltliteratur findet man in dieser Welt, in der Vampire, Baummenschen und Werwölfe selbstverständlich zwischen Normalsterblichen existieren, jede Menge.

So gibt es hier Maschinenmenschen wie aus Fritz Langs "Metropolis", verkauft von einem gewissen Gregor Samsa, der nicht ganz zufällig wie ein Käfer aussieht. Neben Franz Kafka wirken hier Lewis Carroll, Bela Lugosi und "Der Unsichtbare Mann". Nicht die einzige Reverenz an amerikanische Komödien. "Ich nehme die verängstigten Monster des alten Europa und lasse sie bei Wilder und Lubitsch Witze reißen."

Ein lichtscheuer Hipster
Buchseite

Joann Sfar: „Vampir“. Übersetzt von Barbara Hartmann, Paula Bulling. Avant Verlag. 216 Seiten. 30,80€

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