KURIER: Von Filmschauspielerinnen hört man immer wieder, dass mit zunehmendem Alter die Rollen rar werden, weil das Publikum angeblich junge Gesichter bevorzugt. Ist es Ihnen schwergefallen, die Maria Theresia zu spielen? Eine Frau, die um viele Jahre älter und viele Kilos dicker ist als Sie?
Ursula Strauss: Überhaupt nicht. Ich bin gegen diese ständige Reduktion auf Alter und Aussehen. Frauen sind in jedem Alter interessant. Egal ob sie jung oder alt sind. Jede Frau hat ihre Schönheit. Jede Frau hat ihre Geschichte, ihre Tiefe, ihre Ecken und Kanten. Schönheit oder Hässlichkeit – falls es die überhaupt gibt – sind nur eine Oberfläche. Gestern erst war eine wunderschöne Frau hier am Set. Ich schätze, sie wird Mitte 50 gewesen sein – und hat über ihr Alter gejammert. Da habe ich einmal mehr gedacht, wir sollten endlich aufhören, uns über Äußerlichkeiten zu definieren. Ich finde es an der Zeit, diese Verhaltensmuster zu durchbrechen. Auf dem internationalen Markt werden immer mehr Rollen für Frauen geschrieben, weil das Publikum diese sehen will. Siehe zum Beispiel die Action-Serie "Equalizer" mit einer 50-jährigen Queen Latifah oder "The Nevers" mit einem Hauptcast aus vielen verschiedenen Frauen mit unterschiedlichen Ethnizitäten und Altersspannen. Es ist Zeit, das Publikum in seiner Gesamtheit zu sehen und ihm allen Raum in seinen unterschiedlichsten Formen und Farben zu geben.
Glauben Sie, dass die Quotenregelung in der Filmbranche da etwas verbessern kann? Glauben Sie, dass ein Plus an Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen das Image der Frau im Film positiv beeinflussen könnte?
Ich denke, das kann ein Anfang sein. Vor allem für die Kolleginnen, die nicht über die ganzen Netzwerke verfügen. Ich denke aber auch, dass wir Frauen oft die strengsten Kritiker unserer selbst sind. Das ist eine Konditionierung – auch durch die Medien –, von der wir uns befreien müssen. Frauen tappen sehr oft in die Vergleichsfalle. Das passiert mir auch. Und wenn ich dann in dieser Falle sitze, dann denke ich: Hoppla – schnell wieder raus! Diese Falle tut niemandem gut. Weder mir noch meinem Gegenüber. Ich glaube, es ist ein gesellschaftliches Problem und nicht geschlechtsspezifisch. Es ist Zeit und eine gesellschaftliche Verantwortung, dass wir die Geschichten von uns allen erzählen.
Maria Theresia hatte in diesem Sinne viel zu bieten. Sie war eine interessante Frau, jenseits der 35 – ihr Gewicht wollen wir außer Acht lassen – und sie hat nicht nur die Geschichte von Österreich entscheidend bestimmt, sondern von ganz Europa. Eine Rolle nach Ihrem Geschmack?
Absolut. Für mich geht es aber nicht nur um die Macht, die diese Frau verkörperte, sondern auch darum, ob und wie sehr sie dafür die Frau in sich unterdrücken musste. Sie wurde als 23-Jährige total „blank“ auf den Thron gesetzt. Sie musste erst einmal lernen, wie sie ein riesiges Reich in den Griff bekommt, weil ihr Vater sie nicht an seinen Regierungsgeschäften hatte teilhaben lassen. Nachdem ihr sofort die Herrscher Europas vieles, was möglich war, weggenommen haben, schaffte sie es schon fünf Jahre später, sich alles außer Schlesien zurückzuholen. Und in dieser Zeit hat sie dazu noch drei Kinder geboren.
Der „Maria Theresia“-TV-Mehrteiler wurde auch schon mit „The Crown“ verglichen. Das Publikum liebt offenbar Monarchinnen. Anders als bei Elisabeth II. liegen die Ereignisse rund um die Frau, die Sie spielen, Jahrhunderte zurück. Und anders als die Queen, die hauptsächlich Repräsentations-Aufgaben wahrnimmt, hatte Maria Theresia tatsächlich Macht. War es der historische Aspekt, der Sie an der Rolle gereizt hat, ihre Machtpolitik oder ihre Mutterrolle?
Es war eine Mischung aus allem. Das Hineintauchen in die Geschichte fasziniert mich. Das Hineinschlüpfen in die Beengtheit historischer Kostüme, dieses Zugeschnürt-Sein, das zugleich Halt gibt und Haltung aufzwingt. Wenn man das alles einmal spürt, dann versteht man die Geschichte besser und auch die Nachwirkungen auf das Heute. Selbstverständlich hat mich die machtpolitische Seite interessiert, aber Maria Theresia war ja auch eine Mutter. Damals war es in diesen Kreisen üblich, dass man die Kinder zur „Erziehung“ weggegeben und dann vielleicht 5 Jahre später wieder gesehen hat. Sie hat tatsächlich mit ihren Kindern täglich zwei, drei Stunden Zeit verbracht, wusste genau, wer welchen Charakterzug hat und förderte die Stärken der Kinder. Und darüber hinaus hat sie eine Liebesehe geführt. Sie hat die Geschlechterrollen umgedreht, indem sie ihrem Mann Franz Stephan zwar die Kaiserkrone gelassen, aber die Macht für sich beansprucht hat. Er hat sich um die Finanzen gekümmert – aber auch um die Kinder. Aus heutiger Sicht haben sie eine geradezu moderne Ehe geführt.
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