Udo Jürgens: "Ich war schmerzlich berührt"

Udo Jürgens, nachdenklich und selbstkritisch: "Das Leben setzt uns rechtzeitig Schranken".
Ein Gespräch über die Hypo, das Altwerden, Flirts von früher und sein "Wamperl".

Udo Jürgens ist seit sechzig Jahren im Musikgeschäft und er hat die Frage, wie lange er noch arbeiten werde, satt: "Das hat man mich schon vor 30 Jahren gefragt. Ich weiß nicht, wann ich mich zurückziehe. Das Leben setzt uns rechtzeitig Schranken, das Schicksal sorgt für die Richtung", sagt er im Interview bei der Präsentation seiner neues Albums im ehemaligen "Birdland" seines Freundes Joe Zawinul.

Udo Jürgens: "Ich war schmerzlich berührt"
Udo Jürgens 28.02.2014, Wien, BOX, CD Präsentation

Zawinul hätte, glaubt Jürgens, "Freude mit dieser CD" gehabt. Er selbst hat das auch. "Ich steh’ selber drauf. Und ich muss mich nicht genieren, das meinen Kindern vorzuspielen."

Raum für Selbstkritik bleibt dennoch genügend. Er wirkt abgeklärt und trotzdem zuversichtlich. Bäume will er keine mehr ausreißen, aber durchaus noch welche pflanzen, heißt es auf der CD. Es gibt auch mit bald 80 noch so viel zu entdecken.

"Das Leben bist du", die zweite Nummer – sie erinnert musikalisch an Jürgens’ Chansons aus den 60ern – ist eine Reverenz an sein Lieblingslied "Ich weiß, was ich will", das in den späten 70er-Jahren entstand. "Damals war ich allerdings weit davon entfernt, zu wissen, was ich will", sagt Jürgens zum KURIER. Und heute? "Älterwerden ist in vieler Hinsicht schmerzlich. Man hat Ängste, die einen überfallsartig heimsuchen. Aber wenn man Lieder schreiben kann, dann ist das ein unermessliches Glück. Älterwerden bedeutet, durch die Lehrjahre des Lebens geprüft zu sein." Kinder zu aufrechten Menschen zu erziehen, sei eine Herausforderung, Beziehungen zu leben noch mehr: "Jede Erwartungshaltung engt ein."

Udo Jürgens: "Ich war schmerzlich berührt"

Mit den optischen Veränderungen des Älterwerdens müsse man leben – sagt der Mann, dem niemand, auch nicht, wer ihm im Gespräch direkt gegenübersitzt, seine acht Jahrzehnte abnehmen würde. Und es klingt nicht kokett, wenn er behauptet: "Ich hab auch schon ein Wamperl." Eine Augenoperation habe er vor einiger Zeit gehabt, der scharfe Blick danach sei ein Schock gewesen. Seither geht er nicht gern ins Fernsehen. "Man muss ins Fernsehen. Aber es ist hart."

Nüchtern gegenüber dem Lauf der Welt, kritisch gegenüber sich selbst, aber auch anderen: "Der Mann ist das Problem", heißt ein neues Lied.

KURIER: Halten Sie Frauen tatsächlich für bessere Menschen?Udo Jürgens: Das soll das Lied gar nicht ausdrücken. Es geht um die alleinige Herrschaft des Mannes, die die Welt dorthin gebracht hat, wo sie ist.

Sind Sie ein Frauenrechtler?
Frauen werden auf dieser Welt immer mehr zu sagen haben. Das halte ich für selbstverständlich, aber deswegen bin ich kein Frauenrechtler. Das ist die Alice Schwarzer, eine Freundin von mir.

Sie hatten einen Flirt mit ihr.
Wir waren sehr jung.

Schwarzer wurde jetzt Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Klatsch interessiert mich nicht. Aber sollte sie Steuern hinterzogen haben, hat sie ein Problem.

Ihre neue Heimat Schweiz hat jetzt für eine Zuwanderungsquote gestimmt.
Ich bin sehr angegriffen worden, weil ich gesagt habe, ich schäme mich dafür. Gerade die Schweiz profitiert von der EU und den vielen Ausländern. Ich war persönlich sehr schmerzlich berührt von dieser Abstimmung. Die rechten Parteien hetzen, auch in der Schweiz.

Auch Ihre alte Heimat ist in der Bredouille... Stichwort Hypo.
Wer das nicht gesehen hat, muss blind gewesen sein. Lang bevor es gekracht hat, habe ich mich kritisch zur politischen Lage in Kärnten geäußert. Ich wurde extrem beschimpft. "Schleich dich heim ins Reich", hat man zu mir gesagt. Da sieht man ja die Intelligenz dahinter.

Zurück zur CD: Diesmal gibt’s keinen Ausflug ins ganz junge Genre wie zuletzt mit den Sportsfreunden Stiller.
Es hat mich keiner gefragt. Ich könnte mir aber gut vorstellen, etwa mit den Toten Hosen zu arbeiten.

Wie wäre es mit einem Jazzalbum?
Daran hab ich oft gedacht. Aber ich fürchte, ich bin am Klavier nicht mehr gut genug. Doch wer weiß, was noch kommt.

Udo Jürgens: "Ich war schmerzlich berührt"
Udo Jürgens hat sich längst vom Schwerenöter-Image verabschiedet. Kritisch gegenüber sich und der Welt war er immer schon. Doch auf seinem 53. Album "Mitten im Leben" legt Jürgens das Büßergewand stellvertretend für alle Geschlechtsgenossen an: "Der Mann ist das Problem". Die rasante Nummer erinnert musikalisch an das "Ehrenwerte Haus" aus den 70ern. Die gesamte CD klingt wie ein alter Vertrauter. Vieles hört sich an wie vor 30 Jahren. Und das ist in den meisten Fällen positiv gemeint. Hier sind echte Musiker am Werk, der Sound ist prächtig. Sozialkritik à la "Fünf Minuten vor Zwölf" bleibt auch diesmal nicht aus: "Der Gläserne Mensch" wettert gegen Datenmissbrauch. Dazwischen gibt’s Gedanken über Liebe, Freiheit und den Lauf der Welt. Jürgens hat die Musik zu allen 16 Liedern geschrieben, spielt Klavier, und wirkt stimmlich gut in Form. Ausflüge ins junge Pop-Genre wie zuletzt mit den Sportsfreunden Stiller bleiben diesmal aus. Dafür geigt Julian Rachlin. Das ist dann doch Geschmackssache.

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