Cinemascope
Und da bekommt er – wie auch das Publikum vor Ort und an den Bildschirmen – einiges zu sehen. Denn Opulenz war und ist in St. Margarethen bekanntlich immer das Gebot der Stunde. Halbe Sachen darf es szenisch nicht geben. Und die gibt es auch nicht in der Cinemascope-Inszenierung von Thaddeus Strassberger, der gemeinsam mit Ausstatter Paul Tate dePoo und dem Kostümbildner Giuseppe Palella eine Art chinesisches Game of Thrones in den Steinbruch geknallt hat.
Mixtur
Denn stilistisch wird da vieles kunterbunt zusammen gemischt. Es gibt u. a.: Turandots Palast, ein riesiges Zombieschiff, indische Affengeister, japanische Ninja-Krieger, brennende Fackeln, allerlei Funkensprühen, und Turandots Begleiterinnen (hier also Henkerinnen) könnten direkt aus Richard Wagners „Walküre“ entsprungen sein. All das sorgt für viele Effekte, die aber in ihrer permanenten Betriebsamkeit und dank zahlreicher (guter) Videoprojektionen auch zur visuellen Überforderung neigen. Frei nach dem Motto: Alles dreht sich, alles bewegt sich. Dass dies sehr professionell funktioniert, liegt auf der Hand.
Erstaunlich aber, dass die wenigen intimen Szenen – etwa zwischen Turandot und Calaf – Puccinis Intentionen weitaus mehr entsprechen und willkommene Ruhepole in diesem knallbunten, zum Steinbruch passenden Actionspektakel bieten.
Für musikalische Action sorgt auch Dirigent Giuseppe Finzi am Pult des guten Piedra Festivalorchesters (samt Philharmonia Chor Wien), der auf große Klanggesten setzt, der die optische Opulenz in entsprechende musikalische Dramatik übersetzt. Die sehr gute Tonanlage kommt den Künstlern zu Hilfe.
Und die Sänger – man alterniert in St. Margarethen – passen sich auch stimmlich diesen Vorgaben an. So ist Martina Serafin eine extrem expressive Turandot, die stets unter Strom steht, die etwa ihr berühmtes „In questa Reggia“ machtvoll in den Abendhimmel schleudert und einen ganz starken Charakter zeichnet. Ihre Wandlung von der eiskalten Prinzessin hin zur liebenden Frau überzeugt.
Höchst erfreulich auch Tenor Andrea Shin, der als Calaf nicht nur bei seiner Bravourarie „Nessun dorma“ („Keiner schlafe“) viel, jedoch kultiviertes Testosteron einbringt. Donata D'Annunzio Lombardi hat es da in der undankbaren Partie der Liù ungleich schwerer. Sehr fein: Leo An, Jonathan Winell und Enrico Casari als Ping, Pang, Pong; Benedikt Kobel (Altoum) sowie Alessandro Guerzoni als Timur wirken solide mit.
2022 setzt man im Römersteinbruch übrigens auf Giuseppe Verdis „Nabucco“. Wieder ein Spektakel.
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