Trauer um Filmemacher Peter Kern

Peter Kern, 2012 bei der Berlinale, mit seinem Film "Glaube, Liebe, Tod"
Der streitbare österreichische Schauspieler und Regisseur wirkte an rund 60 Filmen mit.

Peter Kern hasste es, wenn man ihn einen „Underground“-Filmemacher nannte. Oder einen „Trash“-Regisseur. Oder gar einen „letzten Rebellen“ der Filmkunst. Er sei nichts von all dem, sagte er einmal in einem KURIER-Interview: Er lehne es ab, in eine Schublade zu springen – „weil ich erstens zu fett bin, zweiten mich weigere und drittens den Leuten auf den Fuß trete.“

Peter Kern war Filmregisseur und Schauspieler, Essayist und Autor, Talkshowgast und Ex-Sängerknabe. So konnte schon einmal passieren, dass Kern mitten in einem Interview plötzlich in fröhlichen Gesang ausbrach.

Kern küsste Leonard Bernstein, spielte mit Rainer Werner Fassbinder und drehte mit Helmut Berger fiebrige No-Budget-Filme. Und: Kern war ein echter Wiener. Schmelzend erzählt er in dem intimen Porträt-Film „Kern“ von Veronika Franz und Severin Fiala von seiner Kindheit im 2. Bezirk, von den beeindruckenden Oberweiten der Bordellbesitzerin und seiner Faszination mit Marika Rökk im Kino.

Bilder aus der Karriere Peter Kerns

Trauer um Filmemacher Peter Kern

Kopie von WIE11
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Haider lebt.jpg
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GERMANY BERLIN FILM FESTIVAL 2012
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Trauer um Filmemacher Peter Kern

Peter Kern

Einer, der sich das Herz herausreißt

Er selbst bezeichnete sich als einen Geschichtenerzähler, als einen, „der sich sein Herz herausreißt, um den Leuten zu zeigen, wie wir in dieser Welt gequält werden.“ Für Menschen am Rande der Gesellschaft interessiere er sich, „und nicht für das Schicksal von Immobilienmaklern“. Die Niederungen des österreichischen Alltagsrassismus kommen dabei genauso ins Visier wie Kulturkritiker.

Kern machte No-Budget-Filme und Low-Budget-Filme: Krass, grell, zärtlich, melodramatisch, manchmal auch pornografische – wie seine letzte, krönende Arbeit, die elegante Thriller-Kolportage „Der letzte Sommer der Reichen“.

Er konnte sich endlos über (österreichische) Kulturpolitik ärgern, den Niedergang einer auf Quoten getrimmten Theaterlandschaft oder die Verblödung des öffentlichen Fernsehens.

Aber sein Hauptthema war immer, wie er selbst sagte, die Liebe. Sein Kino sei „spontan, ehrlich, arm und tränenreich.“ Kern war eine Ausnahmeerscheinung des österreichischen Kinos. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung ist er nach schwerer Krankheit verstorben.

Das Ableben von Peter Kern hat für Betroffenheit in der heimischen Kulturszene gesorgt. Mit ihm verlasse "einer der ganz Großen die Bühne des österreichischen Filmes", erwies ihm etwa Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) am Donnerstag in einer Aussendung die Ehre und bezeichnete Kern als "höchst universellen Künstler".

"Seine Leidenschaft für dieses Medium war bis zuletzt der essenzielle Motor in seinem Leben", wird Ostermayer über das filmische Schaffen Kerns zitiert. "In den letzten Jahren drehte er mehrere viel beachtete Autorenfilme, die sich ungeschönt und offen mit den gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart auseinandersetzten." Seinen kritischen Geist sowie seine Einmischungen in die kulturpolitische und kulturelle Diskussion werde man "schmerzlich vermissen".

Auch im Österreichischen Filminstitut äußerte man sich betroffen zum Tod des Künstlers. "Er war einer der letzten seiner Generation, ein kompromissloser Filmemacher, besessen und beseelt vom Kino. Mit Peter Kern verliert der österreichische Film eine seiner aufrechtesten und streitbarsten Stimmen, die unserem Filmschaffen Farbe, Kraft und Charakter gegeben hat. Vielleicht war sein Herz einfach zu groß und verschwenderisch, und hat deshalb schon so früh aufgehört zu schlagen", so Roland Teichmann in einer Aussendung.

Elisabeth Hakel, SPÖ-Kultursprecherin im Parlament, würdigte Kern als "ein geniales Gesamtkunstwerk und einen begnadeten Exzentriker des Kinos". Als Regisseur wie als Schauspieler habe er ein "ebenso reiches wie unvergessliches Oeuvre" geschaffen, wird sie in einer Aussendung zitiert. Seinen Anspruch als "Vordenker der Gesellschaft" habe der Künstler nicht nur erfüllt, sondern mit jeder Faser gelebt. "Wie kaum ein anderer hat es Peter Kern auf unnachahmliche Weise verstanden, mit seinen Filmen die Finger in die Wunden der Gesellschaft zu legen und dort Diskussionen anzustoßen, wo diese überfällig waren."

"Peter Kern war einer, der die Freiheit und die Möglichkeiten der Kunst bis über die Grenzen gesellschaftlicher Konventionen hinweg auslotete. Als Filmemacher legte er häufig den Finger in die Wunden gesellschaftlicher und persönlicher Abgründe, als Künstler überzeugte er durch Mut und Detailgenauigkeit, als Bürger meldete er sich lautstark zu Wort - oft mit fast heiligem Zorn gegen politische und kulturpolitische Missstände", konstatierten die beiden Grünen Kultursprecher Wolfgang Zinggl (Bund) und Klaus Werner-Lobo (Wien).

Was Sie schon immer über Peter Kern wissen wollten – Sie können es erfahren. In einer intimen, witzigen und traurig-berührenden Doku, die die KURIER-Filmkritikerin Veronika Franz mit Severin Fiala gedreht hat. In "Kern" versuchen sie, dem Filmregisseur, Schauspieler, Essayisten, Autor, Querulanten und grantelnden Wiener Peter Kern auf den massigen Leib zu rücken. Nicht immer eine leichte Sache, denn zwischendurch kann Kern ganz schön unwirsch werden.

Widerspenstig

„Es ist schwierig für einen Regisseur, die Gosche zu halten, wenn er das Gefühl hat, die Kamera steht am falschen Platz“, so Kern freimütig: „Und natürlich bin ich ein widerspenstiger Geist.“ Lange hat man ihn aber nicht überreden müssen, mitzumachen: Er habe es mit Freude angenommen. Worüber er sich allerdings vorher nicht klar gewesen war – dass es zweieinhalb Jahre dauern würde: „Wo ich doch meine eigenen Filme in kurzen zehn Tagen abdrehe.“

"Kern" spielt zu einem großen Teil in Kerns Wohnung in der Großfeldsiedlung, beobachtet ihn bei Alltagsroutinen und gibt ihm Raum für Erinnerungen – an Leonard Bernstein, an die großen Brüste der Bordellbesitzerin im 2. Bezirk, an Marika Röck im Kino.

Und auch wenn die Kamera nicht immer richtig stand: „Man ließ mir wirklich die Freiheit, die Wahrheit zu sagen“, sagt der 64-Jährige versöhnlich über "Kern": „Ich brauchte mich nicht zu verstellen. Da schimpfte und murmelte ich grantig vor mich hin. Und das war natürlich auch der Spaß, den ich dabei hatte – wenn dann den Filmemachern ein bisschen die Lade heruntergefallen ist. Aber sie wollten mich ja provozieren. Und dieses Spiel habe ich gerne mitgemacht.“

"Helmut Berger bekam einen geilen Vertrag"

Das glaubt man ihm gerne. Ein Stichwort reicht, und Kern läuft sofort zur Hochform der Empörung auf. Ärgern könnte er sich praktisch über alles: Über das Fernsehen und seine Quoten, etwa, und dass die ganze Welt davor sitzt und zuschaut, wie ein Herr Baumgartner völlig sinnlos wo herunterspringt. Dass sein alter Freund Helmut Berger in einer Dschungelshow auftritt, findet Kern aber wieder gut : „Ich habe ihm dazu geraten. Der Mann hat ja nun wirklich nichts zu verlieren und er bekam einen geilen Vertrag.“

Auch er selbst würde sich jederzeit in eine Show setzten, denn ihm sei es „wurscht, was die Leute über mich sagen. Ich kann ihnen meine Fettschürze zeigen, die bis zum Boden reicht, und sagen: Das bin ich. Das habe ich mir angefressen aus Schutz vor euch, damit ihr mir nicht noch meine Seele und meinen Bauch wegnehmen könnt.“

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