Sehen Sie vielleicht auch Parallelen zwischen den jetzigen Zuständen und der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg?
Ja, es gibt Ähnlichkeiten, aber direkt vergleichen lässt sich das nicht, weil wir anders kommunizieren. Das Internet ist eine Revolution, die relativ gesehen noch in den Kinderschuhen steckt. Wir können aber aus der damaligen Zeit lernen, dass es manchmal sehr schnell geht, dass eine zunächst kleine Gruppe die unsichere Stimmung ausnutzt, mit hetzerischen Parolen an die Macht kommt und sich dann die Kontrolle unter den Nagel reißt. Davor müssen wir gewarnt sein.
Es gibt einige Gedichte darüber, wie die Nachwehen des Zweiten Weltkriegs das Verhältnis von Kindern zu ihren Eltern, vor allem zu den Vätern getrübt hat. Liegt das daran, dass die Väter im Krieg traumatisiert wurden und ihre Liebe nicht zeigen konnten?
Das hat sicher damit zu tun. Es ist ein wichtiges Thema für mich, weil ich mich in diesen Gedichten wiedererkenne. Auch mein Vater war vom ersten bis zum letzten Tag im Krieg und eine gewisse Entfremdung empfinde ich genauso wie diese Autoren. Ich bin erst 1962 geboren und natürlich hatte die Generation vor mir am meisten damit zu kämpfen. Aus ihr sind die Studentenunruhen und die RAF-Bewegung entstanden. Das habe ich als Jugendlicher voll mitbekommen. Es war nicht ungewöhnlich, im Schulbus zu sitzen und von der Polizei gestoppt zu werden. Es gab immer wieder Ausweiskontrollen, weil sie nach Terroristen suchten.
Wie hat sich das auf Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater ausgewirkt?
Für mich waren die Eltern Autoritätspersonen, mit denen ich kaum Vertraulichkeiten ausgetauscht habe. Ich wurde von meinen zwölf Jahre älteren Bruder John aufgeklärt. Er konnte mir alles erzählen, was mich wirklich interessiert hat. Meinem Vater musste ich die Schulnoten zeigen. Wenn ich eine Drei geschrieben habe, gab es vielleicht 50 Pfennig, wenn es ein Fünfer war, ein Donnerwetter. Damals hat man Erziehung ganz anders verstanden, als wir das heute tun. Wir begreifen Erziehung inzwischen so, dass man über den Dialog Kinder zu einer Lösung ihres Problems führt. Dafür gab es früher aber weder das Verständnis noch die Zeit.
Sie erwähnen, dass Ihr Vater einmal auf die Mutter losgegangen ist und sie dazwischen gegangen sind. Hat Ihr Vater auch Sie geschlagen?
Es ist eigentlich nur einmal vorgekommen und ich muss sagen, ich hatte es wohl verdient. Ich erinnere mich, dass ich als kleiner Junge gerne mit Feuer gespielt habe. Einmal, als niemand im Haus war, habe ich ein paar Papierzettel angezündet und wusste nicht, wie ich die wieder löschen konnte. Ich habe sie hektisch in einen Papierkorb geworfen und als Löschversuch dummerweise noch mehr Papier drüber geschmissen. Da stand schnell der heilige Schreibtisch meines Vaters in Flammen. Wenn nicht einer meiner älteren Brüder zufällig nach Hause gekommen wäre, wäre das echt übel ausgegangen. Das hat dann natürlich eine Abreibung gegeben, aber danach war es auch wieder gut. Am nächsten Tag sprach mein Vater wieder völlig normal mit mir. Das war wichtig, denn was bei einer Strafe hängen bleibt, ist ja nicht nur das Körperliche. Wenn Eltern wochenlang das Gespräch verweigern oder mit anderen psychischen Druckmitteln ein Kind abstrafen, ist das mindestens genauso schlimm.
In zweiten Teil des Buchs über Kommunikation, erwähnen Sie Donald Trump und an anderer Stelle die Verrohung der Sprache, bringen die beiden aber nicht in Verbindung. Meiner Meinung nach hat Trump aber die Verrohung der Sprache mitverschuldet.
Da gebe ich Ihnen zu 100 % recht. Durch seine Art der Politik und in der Öffentlichkeit zu sprechen, hat er neue, schlechte Maßstäbe gesetzt. Er und Fox-News haben eine neue Ära begründet - die Ära der Lügen und Falschbehauptungen, mit denen er aber davonkommt. Man hat fast das Gefühl, je skurriler und absurder seine Behauptungen, desto mehr Faszination übt dieser Wahnsinnige auf eine gewisse Wählerschaft aus. Und die Möglichkeit, dass er im November wiedergewählt wird, ist sehr realistisch. Da bin ich schon besorgt.
Sie schreiben auch über KI und bringen lustige Beispiele, was sie ausspuckt, wenn Sie zum Beispiel nach einem Campino-Kästner-Text fragen. Haben Sie der KI auch schon mal gesagt, sie soll ein Lied wie eines der Toten Hosen schreiben?
Natürlich haben wir uns solche Späße erlaubt und fanden das am Anfang auch sehr lustig. Die Entwicklung dieser Technik ist krass und diese Tools werden schnell immer ausgefeilter. Aber zurzeit ist es noch so, dass sich diese Text- und Musikvorschläge sehr schnell ähnlich sind. Man kann sehen, aus welchen Informationen sie sich nähren und das Spiel mit Klischees ist noch recht brachial. Letztendlich hat das alles noch kein Herz und keine Seele. Aber der Weg dorthin ist beschritten, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die KI-Version gefährlich nahe ans Original herankommt.
Glauben Sie, dass Musiker in ferner Zukunft überflüssig werden?
Gar nicht in ferner Zukunft. Ein frei erfundenes Beispiel: Rod Stewart hat ein Album eingesungen und im Nachhinein stellt man fest, dass man zwei Textzeilen ändern möchte. Dafür braucht Rod Stewart nicht mehr ins Studio zu kommen. Diese zwei Zeilen kann man aus dem, was er schon gesungen hat, herstellen, ohne, dass er noch einmal am Mikrofon war. Sicher werden in der Musik-Szene viele Jobs wegen KI gestrichen werden. Im Filmbereich kann man leicht einsparen, wenn man atmosphärische Klänge durch KI herstellen lässt. Streamingdienste wie Spotify könnten ständig neue KI-Titel herstellen lassen, die dann als Playlist laufen, für die Spotify keine Autorenrechte zahlen müsste und dieses Geld selbst einsacken kann. Es gibt aber natürlich auch viele sehr nützliche KI-Anwendungen. Das ist ein riesiges Feld, das revolutionäre Neubedingungen schafft. Wir müssen alle lernen, damit umzugehen und viel besser für den Umgang damit geschult werden. Aber vor allem brauchen wir dringend Regularien, um die KI unter Kontrolle zu halten.
Sie erzählen im Buch auch, dass Sie mehrmals auf offener Straße angegriffen wurden, weil Sie sich als linke Alternative zu den Rechtsrock-Bands positioniert haben. Haben Sie deshalb je bereut, diese Haltung auch in der Öffentlichkeit so konsequent zu vertreten?
Es gibt sicherlich Sachen, die ich gesagt habe, die ich im Nachhinein bereut habe. Doch nur wenn es keine schlauen Statements waren, oder ich Menschen provoziert habe, ohne dass es meine Absicht war. Aber dass man bedrängt wird, darf kein Grund dafür sein, dass man eine Aussage bereut. So viel Zivilcourage, dass wir unsere Meinung sagen, auch wenn es danach ungemütlich wird, erwarten wir schon von uns. Das haben auch unsere Eltern von uns erwartet, so sind wir erzogen worden. Das ist einfach eine Frage des Anstands.
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