Torvald oder ein Stück über eigentlich alles

Torvald - aus Ibsen wird eine Musikrevue mit Systemkritik und Owen-Wilson-Perücken
Das TAG zeigt mit einer sehr freien Ibsen-Bearbeitung eine Systemkritik-Revue, die zu viel will aber gut unterhält

Den freien Willen, sagen viele Hirnforscher, gibt es nicht. Da passt es gut, dass in der Saisonpremiere des TAG in Gumpendorf ein Roboter für Liebe und Erfolg zuständig ist. Das Stück „Torvald“ von Rachelle Nkou, eine Ko-Produktion von „Das Gut“ und dem TAG, basiert, sehr, sehr vage, auf Ibsens Stück „Nora oder Ein Puppenheim“.
Statt Nora ist Gatte Torvald hier die Hauptfigur. Das Schicksal des Paares wird von Computerfrau Linde, bei Ibsen Noras Jugendfreundin, gelenkt. Wer strauchelt oder gar fällt, muss das Abo bei „Studio Linde“ verlängern. Dann werden auf Knopfdruck und unter lautem Kaugummi-Schmatzen Liebesschwüre und Erfolgsformeln erneuert. Wird bei Ibsen die bürgerliche Enge thematisiert, geht es hier um eigentlich alles: Den Zwang zur permanenten Selbstoptimierung, um Egoismus und Erfolgsdruck, Überarbeitung und um Mann-Frau-Konzepte. Das ist ein bisschen viel und franst gegen Ende immer mehr aus.
Was schade ist, denn einzelne Ideen sind brillant oder zumindest unterhaltsam, auch wenn man sie nicht unbedingt versteht – etwa den befremdlichen, aber sehr komischen Schuhplattler, zu dem die Worte „Abu DhabiBerlin“ gerufen werden.
Im Wiener Theaterherbst 2014 scheint text-intensive, gesungene und getanzte Systemkritik im Trend zu liegen. Im TAG beginnt sie mit drei Männern und zwei Frauen in Unterwäsche und absurden Owen Wilson-Perücken (Kostüme: Rachelle Nkou) . Es wird viel getanzt (Choreografie Lisza Loidl) und gesungen, unter anderem zu PJ Harvey und Survivor („Eye of the Tiger“) – The Smiths wurden dankenswerterweise diesmal verschont. Ein Höhepunkt ist Julian Loidl als Rechtsanwalt Krogstad, der Theodor Storms Gedicht vom Knecht Ruprecht aufsagt und dabei gar nicht lieb dreinschaut.

KURIER-Wertung:


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