Selbstverständlich verzichtete Thielemann bei diesem vollendet-unvollendeten Werk auf irgendwelche bemühten Rekonstruktionen des vierten Satzes, auch das von manchen Künstlern oft an den Schluss gestellte „Te Deum“ gab es bei Thielemann nicht.
Nur drei Sätze also, die es aber in sich hatten. Denn die Gäste aus Sachsen sorgten für einen Bruckner-Zauber der Sonderklasse. Wie aus dem Nichts formte Thielemann die einzelnen Themen aus, ließ die herrlich satten Streicher aufspielen und animierte die exzellenten Bläser zu hinreißenden Soli. Zwischen feierlich und schnell, zwischen vollendeter Zartheit und großer Dramatik – Thielemann zog alle Register seines immensen Könnens. Sein Bruckner strahlt, ist zugleich nachdenklich, changiert zwischen irdischer Stärke und transzendenter Übersinnlichkeit. Wenn die Mär stimmen sollte, dass Bruckner dieses Werk „dem lieben Gott“ gewidmet habe, dank Thielemann und den Dresdnern könnte man sie fast glauben. Ovationen!
Peter Jarolin
Denn Christian Thielemann und die Romantik – das ist eine Kategorie für sich. Höchste Maßstäbe setzend gab er am Vortag mit Mendelssohns dritter Symphonie in a-Moll, der „Schottischen“, einen dramatischen Auftakt für das Gastspiel. Das war ein fein nuanciertes Farbenspiel, schwebend leicht. Präzise lotete Thielemann die dramatischen Elemente aus und brachte den samtigen Klang seines Orchesters zur Entfaltung. Bis 2024 ist Thielemann noch Chefdirigent der Staatskapelle Dresden. Dass er dann mehr Zeit für Wien haben wird, ist zu wünschen.
Zum Ereignis wurde die „Lyrische Symphonie“ von Alexander Zemlinsky. Die Vertonung von Gedichten Rabindranath Tagores rückte Thielemann in die Nähe Gustav Mahlers. Bei diesen Gesängen wallte Leidenschaft, Dramatik, schmerzliche Süße auf. Die Sopranistin Julia Kleiter interpretierte diese Gedichte betörend und Adrian Eröd als begnadeter Liedgestalter wortdeutlich, mit gezügelter Kraft. Auch hier Ovationen.
Susanne Zobl
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