Die Josefstadt wird weiblich: Marie Rötzer übernimmt 2026

Die Josefstadt wird weiblich: Marie Rötzer übernimmt 2026
Am Montag wird sie als Nachfolgerin von Herbert Föttinger präsentiert.

Ab Herbst 2026 sind nicht mehr alle großen Wiener Sprechtheaterbühnen in männlicher Hand: Marie Rötzer, derzeit Chefin des Landestheater Niederösterreich, folgt auf Herbert Föttinger als Direktorin des Theaters in der Josefstadt. Das soll am Montag offiziell bekanntgegeben werden. Die Personalie wurde von News und der Kronen Zeitung als Erstes berichtet und dem KURIER aus mehreren gut informierten Quellen informell bestätigt.

Mit Rötzer kommt nun eine Frau zum Zug, die schon lange im (Wiener) Gespräch war, etwa bei der Neubesetzung des Burgtheaters. Sie ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil Föttingers – nicht aber in theatraler. Das Josefstadt-Publikum darf, geht Rötzer den in Niederösterreich eingeschlagenen Weg weiter, hochkarätige Regisseure und Schauspieler erwarten, hat sich die künftige Chefin doch als konsequente Netzwerkerin mit guten Verbindungen zu wichtigen deutschen Bühnen erwiesen.

So holte sie 2022 Frank Castorf für eine (grandiose) Uraufführung nach St. Pölten. Ebenso fanden zahlreiche deutsche Bühnenstars regelmäßig den Weg in die Landeshauptstadt.

Rötzer steht für jene Art von klassischem Theater, für das sich in Wien längst eine große Marktlücke aufgetan hat – ein Theater, das Stücke nicht entwickelt oder performt, sondern aufführt. Gegen den Bühnentrend hat Föttinger erfolgreich dagegengehalten, das wird unter Rötzer weitergehen. Auch drängt mit Rötzer keine Vielzahl an Schauspielerpersönlichkeiten ins Josefstadt-Ensemble: Der Personalstand am Landestheater ist vergleichsweise niedrig.

Im Hintergrund

Mit der neuen Chefin – sie ist die erste Frau an der Spitze des Theaters – wird sich an der Josefstadt aber dennoch ein wesentlicher Wandel einstellen: Sieht man vom kulturpolitisch verunglückten Zwischenspiel Hans Gratzers (2003-2004) ab, wird das Theater seit Jahrzehnten von Schauspielgrößen geleitet, die ins Scheinwerferlicht drängen, wenn auch auf unterschiedliche Art: Otto Schenk, Helmuth Lohner und eben Föttinger waren ebenso sehr Öffentlichkeitsarbeiter des Theaters wie Direktoren.

Rötzer, 1967 in Mistelbach geboren, pflegt hier einen ganz anderen Zugang: Sie agiert aus dem Hintergrund heraus, zwar überaus konsequent, aber im Stillen – und ohne großspurige Interviews oder den Status als Publikumsliebling. Bisherige Stationen waren das Maxim-Gorki-Theater in Berlin, das Schauspielhaus Graz oder auch das Thalia Theater in Hamburg. Seit 2016 leitet sie nun das Landestheater – mit Ende ihrer Amtszeit also ein Jahrzehnt. In St. Pölten wiederum muss nun neu ausgeschrieben werden – Rötzer sollte dort bis 2028 bleiben.

Aber das Landestheater darf sich jedenfalls auf die Fahnen heften, Kaderschmiede des Bühnengeschehens zu sein: Von dort aus wurde zuvor Bettina Hering Schauspielchefin der Salzburger Festspiele und Robert Beutler Geschäftsführer des Burgtheaters.

Kommentare