Wenn der schöne Schein auch seine Schattenseiten hat

Schon bei den Proben erkennbar: Regisseur Robert Carsen verlegt Rameaus "Platée" in die heutige Modewelt als Fest für die Augen
Regisseur Robert Carsen zeigt im Theater an der Wien seine Sicht auf Rameaus "Platée".

In Frankreich ist das Werk durchaus populär; in Österreich dürften nur die wenigsten Musikfreunde mit Jean-Philippe Rameaus 1745 uraufgeführter Oper "Platée" vertraut sein. Das könnte sich ab Montag ändern. Dann nämlich erhebt sich im Theater an der Wien der Vorhang zur Premiere dieses "Ballet-bouffon in einem Prolog und drei Akten". Und – das lässt sich schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen – die szenische Umsetzung von Regisseur Robert Carsen wird spektakulär.

Worum geht es? Juno ist wieder einmal eifersüchtig, vermutet sie doch, dass Göttervater Jupiter abermals auf amourösen Abwegen wandelt. Doch diesmal ist der umtriebige Gottvater ausnahmsweise brav. Um Juno eine Lektion zu erteilen, wird das Gerücht lanciert, Jupiter sei in die hässliche und unfassbar eitle Nymphe Platée verliebt. Diese wird damit zum unfreiwilligen Spielball der Götter.

Laufsteg der Eitelkeiten

Wenn der schöne Schein auch seine Schattenseiten hat
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"Dieses Werk ist eine klassische Satire", betont Regisseur Robert Carsen. "Das soll heißen: Man lacht nicht mit jemandem, sondern über jemanden. Ich habe mir die Frage gestellt, was uns dieser mythologische Stoff heute noch zu sagen hat. Das Ergebnis: Es geht um menschliche Eitelkeiten, aber auch um Grausamkeiten. Daher haben wir die Handlung in die Welt der Modebranche, des Catwalks verlegt. Nirgendwo geht es mehr um Äußerlichkeiten, um den schönen Schein."

Ja, man darf mit der letztlich düpierten Platée Mitleid haben, meint Carsen. Denn: "Jeder will doch geliebt werden. So auch Platée, die sich natürlich sehr geschmeichelt fühlt, dass ihr der Oberboss vermeintlich nachsteigt", so der kanadische Regisseur.

Wie aber löst Carsen das Problem mit allegorischen Figuren wie der Muse Thalia oder der personifizierten Folie (dem Wahnsinn)? "La Folie steht nicht für den geistigen Wahnsinn, sondern das menschliche Übermaß, die Exaltiertheit. Auch für Thalia haben wir eine – wie ich hoffe – plausible Erklärung gefunden. Letztlich verspottet Rameau in diesem Stück jedes menschliche Laster. Alle Todsünden kommen irgendwie vor."

Tanz als Befreiung

Und was macht der Regisseur mit den zahlreichen Ballett-Einlagen? "Ich habe sie in die Handlung eingebaut, damit sie nicht wie zu Rameaus Zeit üblich, einfach so für sich dastehen. Tanz kann ja auch die Handlung vorantreiben, kann befreiend wirken. Ich hoffe jedenfalls, dass die Zuschauer ihren Spaß haben, aber auch zum Nachdenken angeregt werden." Denn, so Carsen, der als nächstes Projekt in Zürich Tschaikowskys Oper "Pique Dame" inszenieren wird: "Gerade bei Rameau kann einem das Lachen im Hals stecken bleiben."

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