Und Esther Holland-Merten, die neue Leiterin, denkt auch nicht daran, dies zu ändern: Der Spielplan (zwei Wiederaufnahmen, etliche Koproduktionen), den sie am Montag präsentierte, ist geradezu kümmerlich. Im gesamten Oktober gibt es in der Dependance Petersplatz eine einzige Veranstaltung. Und in Meidling wird die große Halle praktisch nicht genutzt. Zu sehen gibt es bloß eine Koproduktion mit der Gruppe Toxic Dreams, die im kleinen Saal ihre äußerst matt beklatschte Uraufführung erlebte.
Die Behauptung von Holland-Merten, dass man jetzt vermehrt Publikum aus Meidling erreiche, darf bezweifelt werden. Wie auch, dass es der rote Faden sei, „nah an der Gesellschaft und den Lebensrealitäten zu sein“. Denn Yosi Wanunu erzählt in seiner Stückentwicklung „The Chosen One“ den unglaublichen Aufstieg der charismatischen Politikerin Amelie Bauer (sie sei die radikalere Version von Bruno Kreisky) und ihrer Sozialistischen Partei – ausschließlich auf Englisch und durchdrungen von Kapitalismuskritik, ergänzt um alle hippen Diskursbegriffe. Da stiegen selbst wohlmeinende Sozialdemokratinnen im Publikum komplett aus.
Palaver, Palaver
Die äußerst spannungslose, selbstgefällige Szenencollage – das Verschwinden von Amelie Bauer kurz vor der Wahl steht von Anfang an fest – setzt sich aus Nachrichtensendungen, Analysen, Fernsehdiskussionen, internen Debatten rund um das Parteiprogramm samt Seminaren über Marx und Thomas Pikettys „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ zusammen. Einmal fragen sich die fünf auf Podesten in Drehsesseln sitzenden Schauspielerinnen (darunter Susanne Gschwendtner als Amelie Bauer), warum sie jetzt mit dem Besen kehren müssen, und Yosi Wanunu antwortet bei der quasi öffentlichen Probe von der Tribüne aus: „I have too many scenes with talking heads.“
Der Autor und Regisseur hat seine zweistündige „Fakementary“ wohl als Farce gemeint, die mit der Botschaft „Tax the rich!“ prächtig unterhalten würde. Doch „The Chosen One“, mit Pomp, Liveband, Protestsongs, Musical-Elementen und Stummfilm-Texteinblendungen dargebracht, ist bloß ein Beispiel dafür, was passiert, wenn das von den Steuerzahlern finanzierte Produktionsbudget viel zu groß ist.
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