Die Sklavin Tituba ist eigentlich eine Randfigur. Aber sie ist eine jener Randfiguren, die Pfeiler einer Geschichte sind. Das hat schon Arthur Miller verstanden, der sie zu einer prominenten Nebenfigur in seinem Stück „Hexenjagd“ gemacht hat. Das als wenig verklausulierte Anspielung auf die McCarthy-Ära konzipierte Drama handelt ja von den Hexenprozessen von Salem im 17. Jahrhundert. Und Tituba war eine der ersten Angeklagten.
Das war damals so: Als verschiedene junge Frauen beginnen, sich seltsam zu verhalten, schieben diese das – um sich selbst zu retten, wir befinden uns im Puritaner-Amerika – auf den Teufel und seine Handlangerinnen, Hexen. Es trifft die Außenseiterinnen der Gesellschaft. Tituba, die oft mit den Mädchen unterwegs war, ist eine der ersten Sündenböcke. Über 150 Menschen sollten schließlich in dieser folgenschweren Massenpsychose eingesperrt werden, 19 wurden hingerichtet. Über 50 wurden mittels Folter zu Falschaussagen gebracht. Tituba war wohl eine davon: Sie gestand und wurde freigelassen.
Hier greift Zora Howard in „The Master’s Tools“ Titubas Geschichte auf.
Zerriebene Kräuter
Wobei man das so konkret eigentlich nicht festmachen kann. Jedenfalls macht sie (gespielt von Portia) etwas, das man Hexen für gewöhnlich zuschreibt: sie zerreibt und mischt Kräuter an einem Tisch, auf dem schon allerlei Gläser mit tinkturartigem Inhalt stehen. Und dann erzählt sie drei Mal die Geschichte, wie ihre Mutter gestorben ist. Beim ersten Mal kommt die Frau des Sklavenhalters in die Hütte, aus Eifersucht über die Schönheit der Mutter. Deswegen hackt sie ihr den Kopf mit dem Buschmesser ab. Wie er „wie ein Kürbis“ die Stufen hinterplumpst, wird lautmalerisch anschaulich geschildert. Beim zweiten Mal war es ein Sturm, metaphorisch gesehen legt sie dann schon eine (falsche?) Fährte zur zerstörerischen Naturgewalt der Hexenjagd. Es ist die packendste Szene dieses kaum eine Stunde dauernden Monologs: Howard bzw. Schauspielerin Portia lassen mit ihrer nuancierten und immer wieder unberechenbaren Beschreibung und den unheimlichen Geräuschen, die Julian Rozzell Jr. mit Rassel und Co. beisteuert, einen Geisterwald mitten im Theater Hamakom wachsen. Auch hier trägt die Hausherrin Schuld daran, dass eine Blechschindel der Mutter den Kopf abtrennt.
Brutal vergewaltigt
Beim dritten Mal rächt sich die Mutter am Hausherrn, der sie immer wieder brutal vergewaltigt, mit einem Trick, der ihr den Hexenkräfte-Vorwurf einbringt. Er köpft sie als Hinrichtungsshow vor allen anderen, nicht ohne sie vorher noch einmal öffentlich missbraucht zu haben.
Tituba erzählt diese Grausamkeiten wie ein spannendes Schauermärchen, manchmal unterbrochen von kindlich-irrem Lachen. Wer den Kopf nur sinnbildlich verliert, legt die Gedanken beiseite, die Gefühle regieren, die Ermächtigung ist keine intellektuelle. Darauf soll wohl die Anspielung auf Audre Lordes Zitat im Titel ("Die Werkzeuge des Herrschers werden nie in der Lage sein, das Haus des Herrschers zu zerstören") abzielen.
Titubas eigener Mythos
Der Programmtext verspricht, dass Tituba hier zur „Herrscherin ihres eigenen Mythos“ wird. Das kann man eingelöst sehen oder nicht. Ein kurzweiliger Theaterabend ist es allemal. Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigen will, dem sei Maryse Condés Roman „Ich, Tituba, die schwarze Hexe von Salem“ empfohlen. Allerdings war Tituba wohl eigentlich Native American.
noch zu sehen am 28., 29., 30. Mai, Theater Hamakom
Kommentare