"Es macht Spaß, die Leser zu irritieren"

Tex Rubinowitz ist Schriftsteller, Witzezeichner, Musiker und Journalist
Das neue Buch des Schriftstellers und Witzezeichners stochert in den Nebeln der Biografie.

Er sei eigentlich ein recht guter Autor, habe sein Lektor ihm erklärt, sagt Tex Rubinowitz, weil er alle Änderungswünsche anstandslos akzeptiere. In Bezug auf die Form aber einer der schwierigsten: "Ich schreibe ohne Punkt und Komma. Bei mir muss alles so in einer Wurscht rausfließen." Rubinowitz schreibt, wie er spricht, und spricht, wie er schreibt: Im Folgenden ein etwas zurechtgestutztes Gespräch über sein neues Buch – nicht Erzählung, nicht Roman! – "Irma".

KURIER: Haben Sie sich inzwischen daran gewöhnt, dass Sie Bachmann-Preisträger sind? Man hatte letzten Sommer den Eindruck, dass Sie sich nicht ganz wohlgefühlt haben damit.

Tex Rubinowitz: Weil ich weiß, dass ich mich jetzt ununterbrochen rechtfertigen muss.

Vor wem?

Vor Leuten, die diesen Preis nicht bekommen haben. Ich will ihnen keinen Neid unterstellen, aber es ist ein Rechtfertigungsdruck, wenn man Quereinsteiger ist. Und dann noch aus einer Branche kommt, die per se lustig ist. Alle warten immer auf die Witze. Ich habe das auch bei der Lesung in Klagenfurt gemerkt: Die haben am Anfang sehr gelacht und dann sind die draufgekommen, das ist ja gar nicht so witzig. Es ist immer diese vorauseilende Etikettierung. Es gibt ganz wenige Leute, die zweigleisig respektiert werden.

Die künstlerische Multitaskingfähigkeit ist ja eine Ihrer Stärken. Und, dass Sie die Grenzen zwischen Hoch- und Massenkultur nicht respektieren.

Ich habe ein Problem mit Dogmen. Wenn zum Beispiel pauschal gesagt wird, der Song Contest – weil das Thema jetzt aktuell ist – sei schrecklich, dann denke ich mir, das stimmt einfach nicht. Es geht beim Song Contest ja nicht um Musik. Es geht um eine Künstlichkeit, die für ein Wochenende im Mai hergestellt wird, die danach sofort wieder verpufft. Das Lied von Conchita Wurst war am Tag danach so altbacken wie altes Brot. Hart, alt, langweilig. Einzig dieser eine Abend, die Geste, ist relevant. Das haben die Dogmatiker bis heute nicht verstanden. Mir ist schon früh aufgefallen, dass Dogmen zu nichts führen, als zu Engstirnigkeit.

Andere passen sich im Laufe der Jahre an den "richtigen", den "guten" Geschmack an …

Weil sie vielleicht Angst haben, Außenseiter zu werden. Ich war immer Außenseiter und dachte, man kann das ja auch nützen. Wenn alle die Hosen unten eng haben, mussten meine weit sein. Nicht aus Trotz oder Rebellentum, sondern weil ich nicht so sein möchte wie die.

Mit dieser Haltung schreiben Sie jetzt auch?

Na ja, schreiben.

Wie ist "Irma" entstanden?

"Es macht Spaß, die Leser zu irritieren"
asdasdad
Mein Lektor hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine größere Geschichte aus "Wir waren niemals hier" zu machen. Ich habe dann versucht, die Figur aus dem Text anhand von Rückschauen zu definieren. Ich habe mir Bausteine zurechtgelegt, die mir teilweise wirklich passiert sind und die ich mir teilweise ausgedacht habe, und hab sie zusammengesteckt. Am Cover steht nicht Erzählung oder Roman, das finde ich ganz gut. Man kann dieses Buch nicht richtig definieren. Es ist eine Art Bastard. Es ist uneinheitlich, dunkel und düster. Man weiß nicht, was alles stimmt. Es ist ein komisches Herumstochern im Nebel der Biografie. Wenn man das liest, bricht es dauernd, und man weiß nicht, was einen noch erwartet. Es wäre auch kein Problem für mich, eine kontinuierliche Geschichte zu schreiben. Aber es macht mir Spaß, die Leser zu irritieren.

Man fragt sich ständig: Was kann wirklich passiert sein, was nicht? Zudem die Hauptfigur ja Ihren Namen trägt.

Das ist auch eine schizophrene Sache. Ich heiße ja gar nicht Tex Rubinowitz, das ist ein Pseudonym. Es gibt einen Rockabilly-Sänger in den USA, der so heißt. Anfang der 80er-Jahre war es so eine Mode, dass man sich Pseudonyme gibt. Das klebt dann aber auch an einem. Man kann es nicht einfach abschütteln. Der Name steht auch in meinem Pass inzwischen.

Ich heiße eigentlich Dirk, aber meine Mutter hat mich nie Dirk genannt, sondern Sputnik. Die Russen hatten 1961 eine Kugel im All, die hieß Sputnik. Und weil ihr Bauch in der Schwangerschaft Ähnlichkeit hatte mit diesem Satelliten, hieß ich Sputnik. Sie nennt mich nach wie vor so. Wenn die Eltern einem einen Namen geben, und sich selbst nicht dran halten, ist man ja schon per se schizophren. Das Spiel mit "Tex Rubinowitz" ist das, was mich in dem Buch beschäftigt: Wer sind wir eigentlich? Meiner Mutter hat’s gefallen. Das ist ja immer die größte Sorge, ob’s der Mutter gefällt.

Tex Rubinowitz, 1961 in Hannover als Dirk Wesenberg geboren, lebt seit 1984 in Wien. Er ist als Witzezeichner (u. a. für den KURIER), Reisejournalist, Musiker u. a. tätig. Im Sommer 2014 gewann Rubinowitz mit dem Text „Wir waren niemals hier“ den renommierten Bachmann-Preis. Juror Hubert Winkels damals: „Ein Glücksfall.“ Das vorliegende Buch, ein inspiriertes Verwirrspiel, entwickelt den Bachmann-Text weiter.

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