"Sweeney Todd": Ein Gemetzel mit Hit-Garantie

So sieht ein echter Triumph aus, so hört sich ein echter Triumph an. Mit Stephen Sondheims „Sweeney Todd“ beweist die Wiener Volksoper ihre Kompetenz in Sachen Musical und zeigt, dass abseits billiger Massenware in diesem Genre wahrlich Qualität zu finden ist. Und das, obwohl „Sweeney Todd“ alles andere als simple, familientaugliche Unterhaltung ist.

Böses Spiel

Worum geht es bei diesem 1979 uraufgeführten, mit etlichen Tony-Awards bedachten (und verfilmten) Meisterwerk? London im 19. Jahrhundert: Der bösartige Richter Turpin hat den Barbier Benjamin Parker unschuldig in die Verbannung geschickt, um bei dessen Frau Lucy leichtes Spiel zu haben und diese sexuell zu missbrauchen. Doch Parker kehrt – nach 15 Jahren – unter dem Namen Sweeney Todd in die Fleet Street zurück und sinnt auf Rache. Denn seine Tochter Johanna ist inzwischen Turpins Mündel und dessen Ehefrau in spe. In der Pasteten-Bäckerin Mrs. Lovett findet Todd eine Gleichgesinnte. Der Barbier wird zum Kehlen durchschneidenden Massenmörder, die Opfer werden zu Pasteten verarbeitet. Das Geschäft floriert, und am Ende sind fast alle tot ...

Bilder: Sweeney mordet in der Volksoper

Herrlicher Blutrausch

Ein musikalischer Blutrausch also, den der bei der Wiener Premiere bejubelte 83-jährige Sondheim mit packender Musik versehen hat. „Sweeney Todd“ ist fast komplett durchkomponiert, hat dankbare Songs und eine Nähe zur großen Oper. Das Buch von Hugh Wheeler – am Gürtel singt und spielt man in deutscher Sprache – ist klug und voll schwarzem Humor.

Regisseur Matthias Davids und sein genialer Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau haben diesen „Sweeney Todd“ extrem präzise, mit psychologischer Tiefenschärfe umgesetzt. Eine mehrstöckige Drehbühne (ein Sonderlob an die Technik!) sorgt für permanente Bewegung; ein riesiger Maschinenraum kündet zudem vom Zeitalter der Industrialisierung. Die Kostüme (Susanne Hubrich), das Lichtdesign (Fabrice Kebour) und die Choreografie (Florian Hurler) fügen sich perfekt in die düstere, beklemmende, atmosphärisch dichte (Gedanken)-Welt des mörderischen Barbiers ein.

Kostbare Musik

Und musikalisch? Mit Joseph R. Olefirowicz steht ein echter Profi am Pult des sehr guten Volksopernorchesters. Olefirowicz setzt auf Tempo, auf satten Klang, aber auch auf epische Dramatik, kostet Sondheims kostbare Melodien (es gibt auch ein paar Ohrwürmer) ganz wunderbar aus. Wer sagt da noch, dass Musical billig klingen muss?

Aber auch die Sänger – nur beim Chor wünscht man sich mehr Wortdeutlichkeit – lassen kaum Wünsche offen. So ist der dänische Bariton Morten Frank Larsen ein kultiviert singender, darstellerisch fast zu feiner Sweeney Todd, dessen emotionale Verzweiflung jedoch stets unter die Haut geht.

Ein Ereignis ist Dagmar Hellberg als in jeder Hinsicht omnipräsente Mrs. Lovett – Hellberg holt sich stimmlich und schauspielerisch alles, ist die treibende Kraft hinter dem mörderischen Geschehen. Als Richter Turpin wirft sich Volksopernchef Robert Meyer mit all seiner Kraft in die Schlacht. Ein fabelhafter Schauspieler, der seine große Kunst hier zeigen kann. Exzellent aber auch Tom Schimon, Anita Götz (Johanna), Alexander Pinderak, Vincent Schirrmacher, Kurt Schreibmayer, Patricia Nessy, Franz Suhrada, Georg Wacks – sie alle sorgen am Gürtel für ganz großes (Musical)-Kino.

Werk

Inszenierung

Regisseur Matthias Davids und sein Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau leisten ganze Arbeit. Das funktioniert prächtig.

Dirigat

Opernhaft, brillant, nuanciert.

Interpreten

Morten Frank Larsen, Dagmar Hellberg und Robert Meyer führen ein tolles Ensemble an.

KURIER-Wertung: