"Südseekönig" statt "Negerkönig"

ARCHIV - Die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren posiert am 14.11.1972 in ihrer Stockholmer Wohnung mit den beiden Hauptdarstellern ihrer Buch-Verfilmung "Michel bringt die Welt in Ordnung", Lena Wisborg (l) und Jan Ohlsson. Von Astrid Lindgrens unsterblichen Kinderbuch-Heldinnen und -Helden hat ihr eigener Liebling jetzt einen «Runden». «Michel aus Lönneberga», der im Schwedischen Original Emil heißt, wird am 23. Mai 50. Foto: dpa (nur s/w, zu dpa "Astrids Lindgrens eigener Liebling Michel wird 50" vom 18.05.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Änderungen problematischer Begriffe in Kinderbüchern werden heftig diskutiert. Aktuell am Beispiel der "Kleinen Hexe".

Pippi Langstrumpf hatte 64 Jahre einen „Negerkönig“ als Papa. Der Oetinger Verlag ersetzte ihn 2009 durch einen „Südseekönig“.

Gut 100 Jahre nach dem Tod Mark Twains wurden die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn vom Wort „Nigger“ befreit. Statt 219 N-Wörtern wird nun „Sklave“ verwendet.

"Südseekönig" statt "Negerkönig"
Das Wort „Negerlein“ stand mehr als 50 Jahre in Otfried Preusslers „Die kleine Hexe“.Der Thienemann-Verlag hat das jetzt geändert. Statt „Negerlein“ oder „Türken“ kommen in der soeben erschienenen Neuauflage „Messerwerfer“ und „Cowboys“ zum Kinderfasching. Die Vorschläge für die Änderungen stammen vom im Februar verstorbenenPreussler.

Verlagsleiter Klaus Willberg hatte mit den Änderungen eine heftige Debatte ausgelöst. Die „Vehemenz“, mit der für die Benutzung von diskriminierenden Begriffen eingetreten werde, sei „bedrückend“, sagt er. „Was mich ärgert, ist der unhaltbare Vorwurf der Zensur, der in Unmengen von Pamphleten vorgebracht wurde, wobei die Bandbreite von stalinistisch bis faschistisch als Vorstufe zur nächsten Bücherverbrennung reicht.“

Die Position des Verlages: Diskriminierende Begriffe gehören nicht in Kinderbücher, weil Kinder im Vorlesealter noch nicht differenzieren und derartige Begriffe ungefiltert in ihren Sprachgebrauch einfließen können.

Interessantes Detail: In dem umstrittenen „Hexe“-Kapitel „Wollen wir wetten?“ sind aus den „Eskimofrauen“ der ursprünglichen Fassung nun „Indianerinnen“ geworden. „Indianer“ ist allerdings auch kein politisch korrekter Begriff. In Nordamerika nennt man die „Indianer“ heute „First Nations“. „Eskimo“ hieße korrekt „Inuit“.

"Südseekönig" statt "Negerkönig"
Jungbrunnen
Im Verlag Jungbrunnen wurde nun das lange vergriffene Buch „Lollo“ von Mira Lobe wieder aufgelegt (ab 29. Juli im Handel). Lollo ist eine schwarze Puppe, im Text wird sie einmal als „Negerpuppe“ bezeichnet. Im Verlag wurde diskutiert, wie man mit dem Begriff umgehen soll, zumal die Autorin verstorben ist. Gerade für Mira Lobe („Das Kleine Ich bin Ich“) waren Themen wie Gleichberechtigung und Neugier auf das vermeintlich Fremde besonders wichtig. „Selbstverständlich hat sie sich politisch korrekt geäußert, ihre Wortwahl muss im historischen Kontext verstanden werden“, sagt Verlagssprecherin Anna Stacher-Gfall. In Absprache mit Lobes Erben wurde entschieden, der Neuauflage ein Vorwort voranzustellen, um jungen Lesern zu erklären, warum das Wort „Negerpuppe“ im Text erhalten blieb.

Handlungsanleitung

„Kinderliteratur wird immer noch als Erziehungsliteratur und Handlungsanleitung gesehen“ bringt Karin Haller, Leiterin des Instituts für Jugendliteratur, das Problem auf den Punkt. „Es würde keiner daran denken, in Texten aus der allgemeinen Literatur Änderungen vorzunehmen.“

Wie sieht es mit der politischen Korrektheit der fünf Millionen Jugendbücher in den öffentlichen Bibliotheken aus? Gerald Leitner vom Büchereiverband: „Wir werden nicht ad hoc alle Bücher in den Büchereien und Schulbibliotheken austauschen, sondern bei Abnutzungserscheinungen ersetzen. Dann stellt sich natürlich die Frage, welche Ausgabe angeschafft wird.“ Persönlich irritiere ihn, dass kommentarlos „böse“ Wörter umgeschrieben würden. Sinnvoller wäre es, „von einer Pädagogik des Streichens zu einer Pädagogik des Verstehens zu kommen“. Fußnoten sollten Änderungen erklären.

Befürworter von Neuversionen wie der Berliner Familienvater Mekonnen Mesghena, der die Änderungen beim Thienemann-Verlag angeregt hatte, glauben allerdings nicht, dass „Eltern abends auf der Bettkante politische Diskussionen mit ihren Kindern führen“ wollen.

Autoren wie Christine Nöstlinger haben sich oft gegen derartige Änderungen ausgesprochen. Auch Astrid Lindgren, 2002 gestorben, wollte nicht, dass Pippis Vater zum Südseekönig wird.

Wer möchte, kann noch etliche Bespiele für Diskriminierungen aus Kinderbüchern herauslesen: In „Hinterindien“ gingen die Menschen den ganzen Tag auf den Händen, behauptet Pippi auch in der jüngsten Neuauflage, und in Nicaragua gebe es „keinen einzigen Menschen, der die Wahrheit sagt“.

In Roald Dahls 1984 mit dem Preis für Jugendliteratur ausgezeichnetem „Sophiechen und der Riese“ haben Menschenfresser Präferenzen zur Herkunft ihrer Beute. Je nach Region sei diese mehr oder weniger bekömmlich.

Einen „Südseehäuptling“ gibt es in Erich Kästners „Der 35. Mai“: Dessen Kind ist originellerweise kariert, da seine Mutter ein „holländisches Tippfräulein“ ist.

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