Streaming: Das große Geld hinter den kleinen Centbruchteilen
Mit Musik lässt sich wieder Geld verdienen.
Das ist, nach Jahren des Niedergangs, eine spannende Nachricht. Aber nicht für alle. Die großen Gewinner sind, wie immer, die Plattformen und nicht die, die den Content beisteuern. Die Künstler werden bei Streaming wie bisher für Airplay im Radio entlohnt – das war einst die Butter, nicht das Brot (das war der Tonträgerverkauf).
Zwischen Spotify und dem Radio aber ist ein entscheidender Unterschied: Die Plattform macht den Musikkauf völlig unnötig. Man kann jeden Song hören, wann man will und sooft man will. Das konnte man früher nur, wenn man einen Tonträger erwarb, im Radio war man abhängig vom Programmmacher. Wer erinnert sich noch an das Warten, bis ein bestimmtes Lied kam, und das hektische Drücken auf den Aufnahmeknopf des Kassettendecks? Nun aber gibt es dank Streaming einen besitznahen Zustand aller Musik für den Gegenwert einer CD pro Monat. Wer soll da noch was kaufen?
Auch YouTube lebt hervorragend u. a. von Musik (und schüttet Mini-Summen aus).
Und noch etwas ist passiert, etwas, das relativ viel der überschäumend selbstverliebten Online-Rhetorik aushebelt. In den Urzeiten des illegalen Musikdownloads (um die Jahrtausendwende) wurde dieser in eine schöne Gesamterzählung verpackt: Das Internet werde, so hieß es, die Künstler befreien, aus den Zwängen der bösen Plattenfirmen, die die Kreativität unterdrücken und die Künstler übervorteilen. Musiker und Publikum werden sich ohne Label im direkten Online-Austausch gemeinsam auf allerhöchste Qualität und Freiheit einigen (und gut davon leben).
Nun ja. Dass die Labels in der Rock- und Popgeschichte eher zur dunklen Seite zählen, stimmt zwar; nur die Befreiungsidee hat sich, wie das nun mal so ist, in ihr Gegenteil verwandelt. Die Popkünstler sind von einer Abhängigkeit in eine vielfache gerutscht. Sie brauchen immer noch ein Label; u. a. dafür, dass dieses sich auf die Streamingdienste kniet und so dafür sorgt, dass der Künstler in den immer wichtiger werdenden Playlists, die etwa Spotify erstellt, vertreten ist. Ist man dies nicht – die zweite Abhängigkeit der Künstler –, dann schaut man bei den Streamingeinnahmen noch mehr durch die Finger. Und ist, drittens, noch mehr von den Konzertveranstaltern abhängig: Denn der Live-Markt boomt, dort verdienen viele mittlere Acts jenes Einkommen, das sie sonst nicht mehr bekommen.
Wie sich die Musikwelt neu geordnet hat, vernimmt man, wenn man genau hinhört: Hören Sie es, das laute Schweigen der Musikindustrie? Die haben sich einst über jeden Teenager empört, der den neuen Britney-Spears-Song heruntergeladen hat. Davon ist man abgekommen – weil es den Großen in der neuen Welt hervorragend geht. Denn, wie erwähnt, die Gewinner sind die großen Plattformen, dazu gehören auch die Labels.
Ein Beispiel? Ausgerechnet 2000 hat Vivendi Universal Music, eines der drei ganz großen Labels, gekauft. Das war knapp vor dem Kollaps des CD-Verkaufs – und somit viele Jahre eine giftige Investition. Nicht mehr: Vivendi überlegt, so berichtete Bloomberg jüngst, Universal – aufgefettet mit Streaminggeld – zum Teil zu verkaufen. In einem Deal, der das Label mit schlanken 25 Milliarden Dollar bewerten würde. Es gibt Geld im Musikbusiness. Halt nicht für die kleinen Künstler.
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