Der Soundtrack der Empörung

Compton Ende der 80er Jahre: Dr. Dre (Corey Hawkins) fährt mit seinem schicken Auto zu seinen Hip-Hop-Kumpels von N.W.A.
"Straight Outta Compton" über den Aufstieg und Fall der Hip-Hop-Crew N.W.A. verhandelt auch ein aktuelles Problem: Polizeigewalt gegen Schwarze.

Umgeben von unzähligen Schallplatten liegt ein junger Mann auf dem Boden seines Zimmers. Während am Plattenspieler „Everybody loves the Sunshine“ von Roy Ayers rotiert, versucht er den tristen Alltag in Compton, einem von Gang-Auseinandersetzungen und Polizeigewalt geprägten Vorort von Los Angeles, auszublenden. Die Ruhe währt aber nicht lange: Die Mutter nervt. Denn der Sohn soll endlich was arbeiten, anstatt auf der faulen Haut herumzuliegen. Nach einem intensiven Wortgefecht, das mit einer Ohrfeige endet, ist die Sache ein für alle Mal geklärt: Der Bub verlässt wütend das Haus und wird fortan seine Brötchen als DJ verdienen. Es ist der Beginn der bis heute andauernden Erfolgsgeschichte von Andre Young, besser bekannt als Dr. Dre, und der Anfang von „Straight Outta Compton“.

Das Biopic über die Rapper von N.W.A. ("Niggaz Wit Attitudes"), zu denen Dr. Dre, der mit dem „Compton“-Soundtrack soeben sein drittes Soloalbum vorgelegt hat, Ice Cube, MC Ren, Eazy-E und DJ Yella zählen, ist überaus erfolgreich in den US-Kinos gestartet und spielte mehr als 56 Millionen Dollar (umgerechnet über 50 Millionen Euro) ein. Damit ist die Gangsta-Rap-Geschichte der Blockbuster des Sommers.

"Straight Outta Compton" führt zurück in die 80er Jahre. In Compton ziehen Gangs durch die Straßen, Drogen und Gewalt stehen an der Tagesordnung und die Polizei geht systematisch wie brutal gegen die Kriminalität vor: Häuser werden durchsucht, Menschen verprügelt und die vorwiegend schwarze Bevölkerung schikaniert. Jeder ist verdächtig. In diesem Umfeld treffen sich Eric “Eazy-E“ Wright (Jason Mitchell), der sein Geld mit Drogen-Geschäften verdient, “Dr. Dre“, hervorragend gespielt von Corey Hawkins und Ice Cube, der von seinem Sohn O'Shea Jackson Jr. beeindruckend verkörpert wird. Sie gründen das Label “Ruthless Records“ und holen noch DJ Yella (Neil Brown, Jr.) und MC Ren (Aldis Hodge) mit an Bord. Es ist die Geburtsstunde der einflussreichen Hip-Hop-Combo N.W.A.

Mordverdacht

In den folgenden zweieinhalb Stunden ist man dabei, wie das Album "Straight Outta Compton" entsteht, der erste Plattenvertrag unterschrieben wird, sie vom Manager Jerry Heller (Paul Giamatti) über Nacht groß gemacht und aus talentierten Rappern findige Geschäftsmänner werden. Man feiert mit, wenn sich die Crew nach dem Konzert mit dutzenden Frauen, teurem Schampus und lustigen Zigaretten belohnt. Aber wo Erfolge, da auch Neider. Als das Album die Charts stürmt, dauert es nicht lange, bis die ersten Streitereien um die Aufteilung der verdienten Millionen einsetzen.

1989 steigt Ice Cube aus und ist zwei Jahre danach noch derart negativ gegenüber seinen einstigen Mitstreitern gestimmt, dass er sie mit dem Track „No Vaseline“ übelst beschimpft. Auch Dr. Dre sucht das Weite und gründet mit Suge Knight, der im Film von R. Marcos Taylor als gewalttätiger und psychopathischer Unterwelt-Boss dargestellt wird, das Label Death Row Records. Aktuell sitzt Knight im Gefängnis, weil er zwei Leute mit seinem SUV überfahren haben soll, die am Set des Films beteiligt waren. Einer der beiden Männer starb, während der andere schwer verletzt überlebte. Knight wurde unter Mordverdacht festgenommen.

Das vom ehemaligen Videoregisseur F. Gary Gray umgesetzte Biopic handelt sich chronologisch, episodenhaft durch die einzelnen Stationen der kurzen, aber intensiven Karriere von N.W.A. Dabei fällt einiges unter den Tisch. So bekommt man nur am Rande mit, dass die Band schon vor dem Durchbruchalbum “Straight Outta Compton” Musik machte und Platten veröffentlichte. Auch das damalige Mitglied Arabian Prince ist nicht zu sehen. Kritische Töne gibt es aber wegen eines Vorfalls aus Dr. Dres Vergangenheit, der im Film nicht gezeigt wird. Die Rede ist etwa von Dres Angriff auf Dee Barnes, eine Fernsehmoderatorin, die der Rapper auf einer Party im Jahr 1991 zusammenschlug. Dr. Dre wurde für die Tat von einem Gericht in Los Angeles zu Geldstrafe sowie einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Auch die sexuellen Missbrauchsvorwürfe, für die sich Dre nun offiziell entschuldigte, haben im Film keinen Platz.

Bilder aus dem Film

Der Soundtrack der Empörung

Straight Outta Compton
Der Soundtrack der Empörung

Straight Outta Compton
Der Soundtrack der Empörung

Straight Outta Compton
Der Soundtrack der Empörung

Straight Outta Compton

Aktuelle Note

Als die Bandmitglieder im Rahmen ihrer Studioaufnahmen in einer weißen Gegend kurz vergessen haben, wer sie in den Augen der Polizisten sind - nämlich keine Künstler, sondern potentielle Gangster - bekommt „Straight Outta Compton“ eine aktuelle Note. Ohne ersichtlichen Grund werden Dr. Dre und Co. von den Cops dazu angehalten, sich auf den Boden zu legen und sich kontrollieren zu lassen. Gewalt wird angewendet, das F-Wort bedient und Schusswaffengebrauch angedroht. Diese Situation könnte gut und gerne aus dem Jahr 2015 stammen, denn es häufen sich wieder brutale Übergriffe der Polizei gegenüber der schwarzen US-Bevölkerung. Noch heute gilt: Wenn man als Schwarzer in Amerika lebt, gilt es, nicht weiter ungut aufzufallen. „Geh in der Reihe. Arbeite leise. Mach nichts falsch“, lauten die Regeln.

Der Soundtrack der Empörung
Straight Outta Compton

Gegen diese sozialen Missstände machten N.W.A. in ihren Texten aufmerksam. Sie rappten über das Leben auf der Straße, forderten Gleichberechtigung und eine bessere Zukunft ein. „Fuck Tha Police“ heißt einer ihrer erfolgreichsten wie provokantesten Songs, der in allen Radiostationen sowie beim Musikfernsehsender MTV verboten war. Die Botschaft ist klar und wird auch heute noch in den Straßen Amerikas skandiert. „Straight Outta Compton“ hat alles, was ein Hollywood-Märchen braucht: Action, Drama, Sex, gute Musik und ein tragisches Ende. Es gibt Gewinner (Dr. Dre, Ice Cube) und Verlierer: Eazy-E starb 1995 an Aids.

Infos: "Straight Outta Compton" ist ab 27. August in den heimischen Kinos zu sehen.

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