Warum nicht jedermann den "Jedermann" sehen kann
Die zweite Saison ist leider auch schon die letzte „Jedermann“-Saison mit dem deutschen Schauspieler Lars Eidinger – und auch mit Buhlschaft Verena Altenberger. Da der Festspielpartner ORF keine Übertragung geplant hat, werden dieses medial viel beachtete „Jedermann“-Paar also nicht mehr als die rund 60.000 Festspielbesucher (in zwei Saisonen) sehen können.
Laut Auskunft des ORF sind Neubesetzungen allein noch kein Grund für eine Übertragung. „Ausschlaggebende Kriterien sind unter anderem inhaltliche Gründe wie Neuinszenierungen oder wichtige Anlässe, wie zuletzt das 100-Jahr-Jubiläum 2020.“ Aus diesem Jahr stammt auch die bisher letzte „Jedermann“-Produktion des ORF (mit Tobias Moretti und Caroline Peters).
Seit 2017 inszeniert Michael Sturminger den „Jedermann“. Für ihn ist die Argumentation unverständlich. Er sagt: „Natürlich war das eine Neuinszenierung. Neues Bühnenbild, neue Musik, neue Kostüme, neue Darsteller. Es war völlig klar, dass man mit Eidinger nicht die gleiche Inszenierung machen kann wie mit Moretti. Und von Peter Lohmeyer zu Edith Clever als Tod – wenn das keine Neuinszenierung ist ...“
Bemühungen
Für die Koordination der Festspiel-Übertragungen ist Konzertchef Florian Wiegand verantwortlich, der auch die Medienabteilung leitet. Er bestätigt, dass in der traditionsreichen Geschichte des Spiels auf dem Salzburger Domplatz bisher praktisch jeder neue „Jedermann“-Darsteller auch mit TV-Bildern gewürdigt wurde.
„Wir haben uns sehr bemüht, Partner zu finden", sagt Wiegand. "Natürlich hätten wir uns sehr gefreut, wenn der ’Jedermann’ gerade auch mit diesen Hauptdarstellern aufgezeichnet worden wäre. Aber die Sender haben sich für andere Produktionen aus dem Festspielsommer entschieden. Das ist natürlich schade, aber wir können die Sender schon auch verstehen, denn gerade die Live-Übertragung des ‚Jedermann‘ ist besonders herausfordernd.“
Bereits 1925 gab es die erste Hörfunkübertragung aus Salzburg, ab 1958 TV-Übertragungen. „Diese sind für uns kein finanzieller Faktor in dem Sinne, dass wir damit Geld verdienen. Sondern es ist für uns unglaublich wichtig, dass die Festspiele in die Welt hinausgetragen werden“, sagt Florian Wiegand von den Salzburger Festspielen, es gehe auch um Kundenbindung und -generierung.
Diesen Sommer werden insgesamt acht audiovisuelle Medienproduktionen mit Medienpartner Unitel realisiert. Enger Partner ist weiterhin der ORF mit drei TV-Produktionen auf ORF 2: „Il trittico“ (13. August, 22 Uhr), „Káťa Kabanová“ (15. August, 10.50 Uhr) und das Konzert der Wiener Philharmoniker mit Andris Nelsons (7. August, 11 Uhr). Auf 3sat sind (erst am 29. Oktober) die Wiener Philharmoniker mit Christian Thielemann zu sehen. Im Radio bringt Ö1 heuer 20 Festspielproduktionen aus Salzburg, fünf davon live.
Den Beginn macht am 30. Juli die Premiere der neuen „Zauberflöte“ in Kinos in Deutschland und Österreich. Am 11. August (20.15 Uhr) ist sie auf ServusTV zu sehen.
Weitere (Streaming-) Partner sind Arte Concert, der Pay-TV-Sender Mezzo sowie die Plattformen medici, CarnegieHall+ und myFidelio.
Auch ServusTV – ein traditionsbewusster Salzburger Sender – wollte nicht in die Bresche springen. Man entschied sich für die Übertragung der Neueinstudierung der „Zauberflöte“ und wollte auf Anfrage keine Gründe angeben, warum der „Jedermann“ nicht interessant genug sei. Beim ORF räumt man zusätzlich ein, dass „Budgets sowie redaktionelle Kapazitäten eine Rolle spielen“.
Herausfordernd
Wiegand sieht ein zunehmend schwieriges Umfeld: „Aufzeichnungen werden immer herausfordernder, weil es darum geht, diese finanziell zu stemmen – was die Festspiele in der Regel nicht ohne entsprechende Fernsehsender können. Bei Opern und Konzerten ist es insofern leichter, weil man die Chance hat, auch international Partner zu finden. Beim Schauspiel ist es wesentlich komplizierter, deswegen sind die Produktionen der letzten Jahre leider weniger zahlreich mit Aufzeichnungen abgebildet.“ Das hänge mit dem Problem zusammen, „dass deutschsprachiges Schauspiel eben nur den deutschsprachigen Markt hat. Das bedeutet entsprechend weniger Fernsehslots.“
Risiko und Hintertür
Was beim „Jedermann“ zusätzlich eine Rolle spiele: „Der Produktionsaufwand ist nicht zuletzt wegen des Wetterrisikos besonders hoch.“ So wurde etwa die Live-Übertragung 2020 abgebrochen, der ORF musste Bilder von der Generalprobe und anderen Schlussproben ausstrahlen.
Eine mögliche Hintertür gibt es noch. Denn solche Probenaufnahmen fanden auch heuer statt - laut Sturminger "auf einem professionellen technischen Standard mit mehreren Kameras". Er habe sich „wirklich dafür eingesetzt, jetzt haben wir’s einmal im Kasten“.
Wiegand erklärt: „Die Aufnahmen der letzten drei Proben wurden zunächst fürs Festspielarchiv gemacht. Ob damit mehr passieren kann, wird die Zukunft zeigen.“
Beginn
Die Salzburger Festspiele, die heuer bis 31. August laufen, starteten vor einer Woche traditionell mit dem „Jedermann“ und der Aufführungsreihe Ouverture spirituelle
Festakt am Dienstag
Die offizielle Eröffnung der 102. Festspiele durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen findet am Dienstag, 26. Juli, in der Felsenreitschule statt. Festredner ist Schriftsteller Ilija Trojanow, der über „Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens“ sprechen wird. Zum ersten Mal begrüßt die neue Festspielpräsidentin Kristina Hammer das Publikum. Musikalisch führt das Mozarteumorchester unter der Leitung des Briten Duncan Ward durch den Vormittag
Live im TV
Die Live-Übertragung des traditionellen Festakts ist ab 10.45 Uhr in ORF 2 und 3sat zu sehen
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