Stellan Skarsgård: Blick zurück ohne Zorn

Stellan Skarsgård und Nina Hoss in "Rückkehr nach Montauk"
Der schwedische Star-Schauspieler Stellan Skarsgård über Volker Schlöndorffs "Rückkehr nach Montauk".

Stellan Skarsgård ist einer der berühmtesten Schauspieler Schwedens. Wenn nicht sogar der berühmteste (sieht man von Sohn Alexander Skarsgård ab, der dem Vater starke Konkurrenz macht). International bekannt wurde Skarsgård (65) durch seine Zusammenarbeit mit Lars von Trier (zuletzt in "Nymph()maniac") oder mit Auftritten in US-Blockbustern wie "Fluch der Karibik" und "Avengers: Age of Ultron".

In Volker Schlöndorffs etwas blutleerem Drama "Rückkehr nach Montauk" (Kinostart: Freitag), inspiriert von Max Frischs Roman "Montauk", spielt der vielseitige Skarsgård einen bekannten Schriftsteller namens Max Zorn. Auf einer Lesereise in New York trifft er seine alte Liebe (Nina Hoss) wieder und verbringt mit ihr ein Wochenende in Montauk – auf der Suche nach dem verlorenen Glück.

Ein Gespräch mit Stellan Skarsgård über den vergeblichen Blick in die Vergangenheit – und warum er gerne Dinge tut, die er nicht kann.

KURIER: Herr Skarsgård, "Rückkehr nach Montauk" erzählt von einem Mann, der in der Vergangenheit eine Frau verlassen hat und das immer noch bereut. Sind Sie jemand, der Dinge bereut?

Stellan Skarsgård: Ich habe in meinem Leben sicherlich Tausende Fehler gemacht, aber ich würde trotzdem nicht in die Vergangenheit zurückkehren wollen, um sie zu ändern. Ich mag mein Leben. Und alle diese Fehler sind Teil meines Lebens, und hätte ich sie nicht gemacht, wäre mein Leben nicht so gut wie es jetzt ist. Natürlich habe ich auch Menschen verletzt und das tut mir leid. Aber das kann ich jetzt nicht mehr ändern. Ich bin nicht jemand wie die Hauptfigur Max, die endlos darüber nachdenkt, was sie hätte anders machen sollen. Dafür habe ich keine Zeit, und dafür ist die Gegenwart viel zu interessant.

Volker Schlöndorff hat erzählt, Sie hätten bei der ersten Leseprobe gemeint, Sie müssten mit dieser Rolle für Ihre Sünden bei den Frauen bezahlen.

Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nicht, ob das nicht eher ein "Volkerismus" ist (lacht schallend). Ich war nämlich generell immer sehr nett zu Frauen, wie ich mich überhaupt darum bemühe, nett zu allen Menschen zu sein. Aber natürlich ist mir die Figur, die ich spiele, nicht ganz fremd.

Es stimmt also nicht, dass während der Dreharbeiten alle melancholisch wurden? Das hat Schlöndorff auch erwähnt.

Er spricht über sich selbst. Natürlich greife ich beim Spielen auf eigene Erfahrungen zurück, aber ich beginne nicht darin zu schwelgen. Ich gehöre auch nicht zu jenen Schauspielern, die sich zu ihren Figuren eine Hintergrundgeschichte überlegen. Das schränkt mich selbst ein. Ich habe das nur einmal gemacht, weil meine Rolle so langweilig war und ich mich beschäftigen wollte. Es gibt Schauspieler, die sagen: "Nein, meine Figur würde so etwas nicht machen", und ich frage dann: "Woher willst du das wissen? Vielleicht ist die Figur ja interessanter als du selbst." Ich finde, man muss sich von einer Rolle überraschen lassen.

In einer Szene sagt Ihre Figur zur Ex-Geliebten (Nina Hoss): "Ich weiß nicht, was du in mir siehst."

Ja, das ist ein Satz, den ich zu jeder Frau sagen könnte, mit der ich jemals zusammen war: "Ich weiß nicht, was du in mir siehst." Das war nicht schwer zu spielen. In gewisser Weise ist dieser Film ja ein sehr weiblicher Film, weil die Frauen alle viel smarter sind als der Mann. Er ist ein ziemlicher Idiot, ein sehr männlicher Idiot. Und ich glaube, die meisten Männer, die ein bisschen Distanz zu sich selbst haben, können eigenes Verhalten darin wieder erkennen. Es gibt nämlich diese Form von männlicher Aggression, die versucht, die Wirklichkeit an die eigenen Vorstellungen anzupassen – anstatt umgekehrt, die eigenen Träume an die Realität anzupassen. Mir kommt das jedenfalls sehr vertraut vor.

Sie sind dafür bekannt, dass Sie Rollen mit wenig Dialogen mögen, weil Sie das Textlernen hassen. Hier mussten Sie aber ziemlich viel Text lernen, oder?

Ja, das kommt daher, dass ich es auch liebe, Dinge zu tun, die ich nicht kann (lacht). Ich hasse es zum Beispiel, bei einer Rolle zu improvisieren, weil ich darin sehr schlecht bin. Letztens traf ich Regisseur Mike Figgis und er sagte zu mir: "Stellan, ich möchte einen Film in nur einer einzigen Einstellung drehen, alles völlig improvisiert. Machst du mit?" Und ich sagte sofort ja, weil ich es hasse. Der Film hieß übrigens "Timecode" und hat mir viel Spaß gemacht.

Bei den Dreharbeiten in New York zu "Montauk" gab es keine Drehgenehmigungen und es musste viel spontan und mit Handkamera gedreht werden. Wie fanden Sie das?

Sehr gut! Weil Dinge passieren, die man nicht planen kann und plötzlich etwas auf der Leinwand entsteht, was sehr schwer herzustellen ist: Leben. Diese Erfahrung hat beispielsweise auch Lars von Trier gemacht: Nach seinen ersten Filmen und nach "Europa" stellte er fest, dass seine Filme schön und elegant waren, aber leblos wie ein Eisblock. Es gab keinen Platz für das Irrationale. Daraufhin wechselte er seine Arbeitsmethoden, verzichtete darauf, alles kontrollieren zu wollen und ließ den Schauspielern ihre Freiheit. Auch als Schauspieler muss ich immer meine eigenen Techniken und Tricks bekämpfen. Sonst sieht der Zuseher die Absicht und ist verstimmt.

Im Film sprechen Sie über die schwierige Rolle Europas. Wie stehen Sie selbst dazu?

Ich fühle mich sehr europäisch. Ich gehöre definitiv zu jener kurzen glücklichen Periode, in der in Europa der Wohlfahrtsstaat realisiert wurde. Zu dieser Zeit gab es keinen besseren Ort in der Welt als Europa. Genau diesen Wohlfahrtsstaat zerstören wir gerade – und das ist eine riesige Dummheit.

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