Facebooks Sargnagel

Statusupdate-Literatin und Wirtshausbesucherin: Stefanie Sargnagel bei der Arbeit
Stefanie Sargnagel legt mit "Fitness" ihr zweites Buch voller Mini-Anekdoten vor. Und wird im In- und Ausland für ihre Beobachtungsgabe gefeiert.

Stefanie Sargnagel ist 29 Jahre alt, hat die Schule abgebrochen, dafür aber eine der Malereiklassen der Akademie für Bildende Kunst ohne große Bemühungen – und vor allem: – ohne Malerei an sich vorüberziehen lassen. Sie arbeitet im Callcenter,kritzelt am Computer und schreibt Facebook-Updates wie diese: "Ich fühle mich langsam wie einschlechter Kommunist, weil ich vor den Sandlern einen Schas gelassen habe, den ich mir vorher vor den Hipstern verkniffen habe."

Dazu trägt sie eine rote Oma-Mütze und ist mittlerweile auch offline eine kleine Berühmtheit. Sargnagel postet, beobachtet, schreibt Texte für renommierte Medien wie die Süddeutsche und hat nach dem Erfolg von "Binge Living" soeben ihr zweites Buch veröffentlicht: "Fitness" fasst im wesentlichen zusammen, was ihre Fans auf Facebook schon gelesen haben. Sargnagel schaut sich die Welt von unten an, verschanzt sich vor der Selfieverliebten Netzwerkgesellschaft im Schützengraben und feuert daraus Anti-Aphorismen und schlaue Beobachtungen. In Genres lässt sich die Frau mit der Mütze nicht packen. Aber wer einmal angefangen hat, will mehr lesen.

KURIER: Was ist eigentlich ihr Beruf? Künstlerin? Literatin? Callcenterangestellte?

Stefanie Sargnagel: Ich habe gerade ein Buch geschrieben. Ich bin It-Girl. Vielleicht Humorist. Alles was ich mache, soll auf jeden Fall lustig sein. Ich habe nie wirklich gemalt, sondern Witzchen mit Texten gezeichnet. Viele fanden es eh gut, was ich mache. Aber obwohl es Millionen von Studentenausstellungen gibt, hat mich nie jemand eingeladen, weil sie es einfach nicht als Kunst gelesen haben.

Sie positionieren sich nicht.

Das funktioniert sehr gut. Sehr lustig ist: Mich interviewen in Deutschland zwei Musikmagazine. Vieleicht weil ja auch meine Verleger in Wirklichkeit Labelbetreiber sind.

Einer der beiden ist außerdem Manager der Erfolgsband Wanda. In der "Süddeutschen" haben sie der Band unfreundliche Zuschreibungen verpasst, etwa "pathologische Egomanie". Gab es ein Wiedersehen?

Nein, wir haben nicht soviel miteinander zu tun. Für mich sind die auch ein bissl aus dem Nichts aufgetaucht. Sie wirken ein bißchen so, wie wenn sie gerade Matura gemacht haben und eine Band gegründet haben. Aber sie sind eigentlich auch Ende 20.

Was hat Sie im Kunststudium geprägt?

Es ist ein freies Studium. Auf die Parties gehen ist ja quasi auch Teil des Studiums. Du kriegt als schlechteste Note einen Dreier. Ein ungeschriebenes Gesetz, das Sinn macht: Es können ja Leute tolle Maler sein, aber intellektuell einfach gestrickt.

Ihre Karriere ist auf Facebook entstanden. War das ein Medium, wo sie gemerkt haben, dass das richtig ist?

Ich habe das nicht mit großem konzeptionellen Hintergedanken gemacht sondern einfach gepostet. Dann haben mich immer mehr Leute geaddet. Es hat sich alles natürlich entwickelt. Ich habe aber auch davor viel ins Internet gestellt und habe das nie als etwas Professionelles gesehen.

Und jetzt?

Naja, ich mache halt Lesungen und kriege Geld dafür. Dasselbe, nur für mehr Leute. Ich schreibe viel mehr, aber vor allem, weil ich jetzt ein Smartphone habe.

Ein Großteil Ihrer Anekdoten stammt aus dem Callcenter. Sind die Leute am Telefon wirklich so derb?

Ja. Aber es klingt halt aufgeschrieben viel ärger. Ich überzeichne es nicht, das ist auch überhaupt nicht notwendig.

Sie verkörpern auch die Antithese zu einem gesellschaftlichen Massenphänomen: Der Selbstperfektionierung in der Außendarstellung.

Es ist halt meine Art von Humor. Ich weiß schon, dass es deshalb funktioniert, weil es die Leute beruhigt. Auf Facebook hat man ja immer das Gefühl, die Leute haben eine schöne Beziehung und ihr Leben funktioniert super. Ich kenne ein Mädchen, das auf seinem Facebook-Profil Bilder vom Türkei-Urlaub postet. Und man denkt: Ein ganz normaler Mensch. In Wirklichkeit ist sie ein Karlsplatz-Junkie.

Ihr Vater ist FPÖ-Sympathisant. Was hält er von ihrer Karriere?

Das erste, worauf er mich angesprochen hat: Er hat über mich auf dem rechten Blog gelesen. Da haben sie geschrieben: Die "B-Autorin". Das fand er lustig.

Ihre Zeichnungen entstehen auf MS Paint. Weil das jeder Computer installiert hat?

Genau. Oft mache ich sie ja in der Arbeit. Und ich kann Photoshop gar nicht. Ich glaube, ich habe nichts gelernt, seit ich 18 bin. Meine Freunde sind sehr akademisch. Und ich bin halt die, die die Schule abgebrochen hat.

Welche Dinge treiben Sie an?

Ich habe einen Erzählimpuls und daraus ergibt sich vieles. Auftragstexte sind mühsam für mich. Es ist sehr schwer für mich, mich hinzusetzen und anzufangen. Aber man hört ja bei all diesen Jobs, dass die Leute prokrastinieren. Ich mache gern Reportagen, da fahre ich wohin, erlebe was und erzähle das.

Info:Stefanie Sargnagel liest morgen, Dienstag aus ihrem Buch im Schauspielhaus Wien und ist außerdem zu Gast bei "Willkommen Österreich" (22.00 Uhr, ORFeins). Eine weitere Lesung findet am 12. Dezember im Wiener Flex statt.

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