Stefan Ruzowitzky: „Freiheit wird mit Eskapismus verwechselt“

Stefan Ruzowitzky: „Freiheit wird mit Eskapismus verwechselt“
Der Regisseur und Oscarpreisträger im Gespräch über Hermann Hesse und seinen Film „Narziss und Goldmund“.

von Gabriele Flossmann

Für seine Fans ist Hermann Hesse der Autor des Eigensinns, der Sinnsuche und der Rebellion gegen Autoritäten. Einer, der sich immer wieder gegen die vorherrschenden Meinungen und tradierte Rollenbilder stellte. Für seine Gegner ist Hesse ein rückwärtsgewandter, die private Innerlichkeit zelebrierender Autor, dessen Romane oft bis zur Schmerzgrenze kitschig sind und daher vorwiegend von (spät)pubertären Geistern gelesen werden. 

Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – prägte Hesse mit Klassikern wie „Steppenwolf“ und „Das Glasperlenspiel“ die1968er Protestbewegung und zählt mit einer Gesamtauflage von über 150 Millionen Büchern bis heute zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren weltweit.

Explodierender Nationalismus

Auch im politischen Sinne schieden sich, wenn es um Hermann Hesse ging, immer schon die Geister: Im Zweiten Weltkrieg war er für die Nazis ein „Nestbeschmutzer“, dessen dritte Frau noch dazu Jüdin war. Trotzdem wurde ihm in Deutschland und Österreich nach 1945 ein fehlendes politisches Bewusstsein vorgeworfen.

In Zeiten des explodierenden Nationalismus, der aus Europa zweimal in 30 Jahren zu einem Trümmerfeld machte, nahm Hesse die gegenteilige Position ein: Er war ein Kosmopolit, der für das Miteinander der Kulturen eintrat. „Von 1916 an“, schrieb er einmal, „stand ich vollkommen allein. Für die Patrioten war ich ein Schwein, für die Revolutionäre ein rückständiger Bürgerlicher.“ Sein Credo gegen die Gewalt veranlasste junge Männer in Amerika dazu, während des Vietnamkriegs ihre Wehrpässe zu verbrennen – unter Berufung auf Hermann Hesse.

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