Stefan Bachmann macht Programm: „Das Wort BURG steht fürs Ganze“
Geradezu „Sportliches“ habe man ihm abverlangt, sagte Stefan Bachmann zu Beginn seiner Programmpressekonferenz am Dienstag. Denn er war erst kurz vor Weihnachten 2022 zum Nachfolger von Martin Kušej ernannt worden. Und er wolle es ab dem Herbst „spielerisch“ angehen. Ohne Motto, ohne politisches Bekenntnis, ohne Dogmatik. Die Stücktitel und die Teams seien Programm genug: Sie signalisieren „Vielfalt“.
Bachmann weiß, dass er nur diese eine Chance hat, sich als Burgtheaterdirektor zu präsentieren. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger betritt er völlig unverkrampft das Spielfeld. Und auch sonst macht er fast alles anders.
Vor fünf Jahren war Kušej mit einer Schrift angetreten, die man nur schwer entziffern konnte. Und wer das Wort „Burg“ sagte, musste Strafe zahlen. Für Kušej war eine „Burg“ etwas Martialisches, hermetisch Abgeschlossenes. Sein Nachfolger hingegen bekennt sich zur „Burg“, in fetten Avantt-Großbuchstaben als Label, Marke, Signal: BURG. Kein anderes Theater hätte einen derart prägnanten Namen. „‚BURG‘ triggert mich“, sagt er. „Das Wort steht fürs Ganze“, als Überbegriff für das Burg- und das Akademietheater und die weiteren Nebenspielstätten.
Bachmann labert nicht, er liebt es knackig. Auch sein Vorwort im „Programmbüchlein“ (halb so groß wie jenes von Kušej) ist von erstaunlicher Kürze – in Form eines Dialogs mit dem Publikum:
„Und jetzt heißt es also wieder BURG?“ – „Jawohl! Und zwar dem Missverständnis zum Trotz.“ – „Welchem Missverständnis?“ – Dass eine Burg aus undurchdringlichen Mauern besteht.“ – „Aha?“ – „Weil, wenn Sie erlauben, in meiner Vorstellung die BURG etwas Freies, Offenes, Durchlässiges, Zugängliches ist. Voll Spiel und Kunst und Sprache.“ – „Oha, ein Idealist!“ – „Wenn Sie meinen ... Ich mag die Vielfalt. Das Alte und das Neue. Das Bunte. Den Streit, die Diskussion, das Widersprüchliche.“ – „Soso.“ – „Die Welt ist kompliziert. Vielleicht hilft Fantasie, sie besser zu verstehen ...“
Zehn Neue aus Köln
Bachmann grenzt sich also dezidiert von seinem Vorgänger ab. Aber er setzt dessen Weg auch fort: Er übernimmt 33 Produktionen, darunter drei Kušej-Inszenierungen. Und er übernimmt den Großteil des Ensembles.
Unter den 14 Abgängen – manche verlassen das Haus von sich aus – sind Jan Bülow, Rainer Galke, Tobias Moretti, Katharina Pichler, Christoph Luser, Marcel Heuperman und Sophie von Kessel. Zehn Neue bringt Bachmann von Köln mit, darunter Alexander Angeletta, Lola Klamroth, Bruno Cathomas und den Linzer Stefko Hanushevsky. Engagiert hat Bachmann zudem die gebürtige Wienerin Franziska Hackl, den Oberösterreicher Thiemo Strutzenberger und Michael Wächter.
Caroline Peters und Stefanie Reinsperger kehren zurück, Max Simonischek ist wieder da. Als Gäste kommen Martin Wuttke, Joachim Meyerhoff und Jens Harzer. Der Ifflandringträger wird gleich bei der ersten Premiere (5. 9.) im Rampenlicht stehen – als Hamlet in einer Inszenierung von Karin Henkel.
Den Frauen der Vortritt
Bachmann lässt also einer Regisseurin den Vortritt. Und er ist – im Gegensatz zu Kušej – der Meinung, dass Frauen dem Burgtheater sehr wohl Herr werden: Mateja Koležnik macht Nikolai Gogols „Der Revisor“ (über Korruption und Bestechung) und Barbara Frey Molière „Der Tartuffe“ (über Manipulation und Heuchelei). Mina Salehpour dramatisiert „Alles ist erleuchtet“ von Jonathan Safran Foer (über eine Spurensuche in der Ukraine), und Fritzi Wartenberg, die eben „Malina“ von Ingeborg Bachmann umsetzte, bringt „Elisabeth!“ der Salzburgerin Mareike Fallwickl zur Uraufführung.
Auch den Auftakt im Akademietheater bestreitet eine Frau: Therese Willstedt hält mit „Orlando“ von Virginia Woolf ein Plädoyer für eine mehrdeutige Identität. Und Marie Schleef bringt dort „Die Vegetarierin“ nach dem Roman von Han Kang heraus.
Bachmann stellt sich zunächst mit Produktionen aus Köln vor: Er bringt „Johann Holtrop“ nach dem Roman von Rainald Goetz, Molières „Der eingebildete Kranke“ und „Akıns Traum“ von Akın Emanuel Şipal. Weitere Übernahmen sind Shakespeares „König Lear“ in der Regie von Rafael Sanchez, eine Ágota-Kristóf-Trilogie von Mina Salehpour und „Der große Diktator“, witzig erzählt von „Reiseführer“ Stefko Hanushevsky. Im Laufe des Jahres wird Bachmann zweimal im Akademietheater inszenieren: bei den deutschsprachigen Erstaufführungen „Manhattan Project“ von Stefano Massini und „Die Wurzel aus Sein“ von Wajdi Mouawad.
Zwei Premieren verantwortet auch Jan Bosse: „Der Fall McNeal“ von Ayad Akhtar (die Rolle von Tom Hanks am Broadway übernimmt Joachim Meyerhoff) und „Gefährliche Liebschaften“. Ersan Mondtag inszeniert „Toto“ von Sibylle Berg, Antú Romero Nunes „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ von Bertolt Brecht, Chefdramaturg Thomas Jonigk die Marius-von-Mayenburg-Double-Feature-Show mit „Egal“ und „Ellen Babić“.
Elfriede Jelineks "Burgtheater"
Und Österreich wird auch gewürdigt: Musicbanda Franui realisiert mit Nicholas Ofczarek „Holzfällen“ von Thomas Bernhard, Nils Strunk die „Schachnovelle“ von Stefan Zweig, Philipp Stölzl „Liliom“ von Ferenc Molnár (mit Stefanie Reinsperger in der Titelrolle) und Milo Rau – als letzte Premiere der Saison – Elfriede Jelineks „Burgtheater“.
Das Kasino ist wegen Renovierung geschlossen, im Vestibül werden ein Familienstück und drei Produktionen in Zusammenarbeit mit der Theaterpädagogik realisiert. Die Preise bleiben gleich.
Burgtheater
5. 9.: „Hamlet“ mit Jens Harzer, Regie: Karin Henkel
7. 9.: „Johann Holtrop“ von Rainald Goetz, Übernahme aus Köln, Regie: Stefan Bachmann
12. 9.: „Holzfällen“ von Thomas Bernhard. Musicbanda Franui mit Nicholas Ofczarek
29. 9.: „Schachnovelle“ von Stefan Zweig, Regie: Nils Strunk
24. 10.: „Toto“ von Sibylle Berg, Regie: Ersan Mondtag
10. 11.: „König Lear“, Übernahme, Regie: Rafael Sanchez
Akademietheater
8. 9.: „Orlando“ nach Virginia Woolf, Regie: Theres Willstedt
13. 9.: Molières „Der eingebildete Kranke“, Regie: Bachmann
14. 9.: „Das große Heft / Der Beweis / Die dritte Lüge“ nach Ágota Kristóf, R: Mina Salehpour
5. 10.: „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“
Kommentare