Ihr Album „Douce France“ ist nach dem gleichnamigen Chanson von Charles Trenet benannt. Was empfinden Sie, wenn Sie dieses Lied in der Ferne singen?
Das kommt darauf an, ob ich es für ein Publikum oder für mich singe. Denn ich singe auch ganz für mich. Wenn ich allein bin, lasse ich die Musik an mich herankommen. Auch Opernarien. Wie Sie wissen, habe ich gerade drei Hoffmann-Produktionen gemacht und einen Werther. Von dieser Musik habe ich immer etwas im Kopf. Wenn ich in einen Aufzug steige, ins Fitnessstudio oder in ein Restaurant gehe, löst das unterschiedliche Musik in bei mir aus. Ich kann aber nicht sagen, warum das so ist, Aber so kommt die Inspiration, und man erkennt, was man gerne wieder singen würde. So erkannte ich, wie sehr ich den Nemorino (aus Donizettis „Liebestrank“) vermisse. Es ist für uns Künstler nämlich sehr wichtig, dass das Gehirn von selbst arbeitet, auch ohne, dass wir es beabsichtigen. So soll man eine Rolle studieren, bevor man ins Bett geht. Und am Morgen kann man zwar nicht alles auswendig, aber es ist schon viel von der Musik im Kopf, weil der Schlaf, die Ruhe, die Distanz zur Musik auch oft dazu führen, dass sich die Musik in unseren Köpfen festsetzt und die Musikalität auch.
Löst „Douce France“ bestimmte Bilder bei Ihnen aus?
Ich sehe eine Landkarte von Frankreich, viele Orte, die ich seit meiner Kindheit besucht habe, an der Côte d'Azur, Südwesten, Lyon, ich habe viele Bilder vor Augen. Man kann sich dann fragen, was ist Frankreich für mich? Das sind Orte, Menschen, es sind die Präsidenten der Republik, deren Namen ich seit meiner Schulzeit kenne. Auch Gebäude wie die Assemblée national, die Place de la Concorde oder das Stade de France, die Seine, die Altstadt von Lyon sein, es kann die Oper von Bordeaux sein, es kann vieles sein. Manchmal denke ich auch an Autofahrten auf dem Land. An Zeiten, als wir noch kein Navi hatten, sondern mit Landkarten im Auto unterwegs waren. Das sind all diese Bilder, die mir in den Sinn kommen, wenn ich leise singe. Dazu kommt dann die Vorstellungskraft.
Brauchen Sie diese Vorstellungskraft nicht ganz besonders im Konzert. Die Lieder von Reynaldo Hahn oder Duparc sind doch für den Vortrag in einem intimen Rahmen, in einem Salon geschrieben. Wie gehen Sie damit im großen Saal im Konzerthaus um?
Aber diese Salons, in denen man Kammermusik machte oder für 20 Leute sang, gibt es nicht mehr. Das Repertoire aber schon. Mein Ziel ist es, egal, ob 300 Leute oder 2000 Leute im Saal sind, für dieses Publikum eine gewisse Intimität herzustellen. Das ist auch bei „Morgen“ von Richard Strauss so, das ich bereits an einigen Orten gesungen habe. Das singt man nicht wie eine Wagner-Arie, da lädt der Künstler das Publikum ein, sich mit auf eine Reise zu begeben.
Werden Sie weiterhin Chansons singen?
Vielleicht nicht heute, vielleicht irgendwann, aber es gibt viele Lieder, die ich liebe, die ich sehr oft höre. Charles Aznavour, Jean-Jacques Goldman und ich liebe die Lieder von Georges Brassens. Aber da frage ich mich, ob es für mich einen Sinn hat, wenn ich sie als Opernsänger singen würde? Es gibt auch Lieder von Brel, die absolut großartig sind, die ich irgendwann mit Klavier oder mit Orchester gerne singen würde. Aber im Moment setze ich mich nicht unter Druck. Die drei Lieder habe ich aufgenommen, weil sie eine poetische und eine musikalische Bedeutung für mich hatten.
Phänomenal Ihr Auftritt bei den Olympischen Spielen mit der Hymne an Apollo von Gabriel Fauré…
Es war ganz wichtig, das geheim zu halten. Dann all diese Symbole, mit denen diese Hymne behaftet ist. Pierre de Coubertin hatte Gabriel Fauré gebeten, Gedichte auf die antiken Olympischen Spiele, die man in Griechenland gefunden hatte, zu vertonen. Da hatte man das Symbol Frankreichs, dann Pierre de Coubertin, Paris, dann die antiken Olympischen Spiele. All das war zugleich einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft. Wer weiß, ob in 100 Jahren wieder in Paris, die Olympischen Spiele stattfinden und ein anderer Sänger oder eine andere Sängerin eine andere Version der Hymne an Apollon singen wird? (Video bei 2:12)
Hymnen waren die Kritiken auf Ihren Hoffmann in Salzburg. Die Inszenierung kam nicht so gut weg. Wie war das für Sie?
Jede Inszenierung ist ein künstlerischer Vorschlag. Das ist wie bei einem Kunstwerk. Manche Menschen mögen es, manche lehnen es ab. Manche waren von Picasso schockiert oder von Dali oder Monet. Manche lieben ein Kunstwerk, weil es ihnen die Augen geöffnet hat. Das ist die Aufgabe von Kunst. In Berlin wäre diese Inszenierung vielleicht anders angenommen worden als in Salzburg. Ich stand von Anfang an hinter dem Konzept von Mariam Clément und habe es bis zuletzt mitgetragen. Denn in dem Moment, in dem man sich auf etwas einlässt, steigt man nicht aus einem Boot aus, man verlässt kein Team. Das Konzept war sehr kompliziert, aber ich habe sehr gern mit Mariame Clément gearbeitet. Das Wichtigste ist, dass eine Regie niemanden gleichgültig lässt. Am Ende ist es sehr, sehr wichtig, dass die Leute kritisch sind. Ich habe Leute getroffen, die seit Jahren nach Salzburg kommen, die einen haben die Produktion total abgelehnt, die anderen haben sie geliebt. Hätte Mariame Clement eine ganz traditionelle Inszenierung auf die Bühne gebracht, hätten diese auch viele abgelehnt und gemeint davon hätten sie genug. Man kann es nicht allen recht machen. Der Akt der Antonia war für mich das Meisterwerk des Abends. Und die Arbeit, die wir mit Mariam Clément an diesem Akt gemacht haben, war absolut außergewöhnlich.
Welche Rollen planen Sie in nächster Zukunft?
Ich möchte das französische und italienische Repertoire weiter vertiefen, werde hoffentlich bald wieder „Liebestrank“ weiterhin „La Bohème“, Werther, Manon, Romeo et Juliette und Hoffman. Auch Berlioz' „La damnation de Faust“, weitere Verdi-Rollen, „Maskenball“, der Don José in Carmen, Cavaradossi (Puccinis „Tosca“) - das wird alles nach und nach kommen.
Werden Sie nächsten Sommer wieder in Salzburg auftreten?
Salzburg ist das größte Sommerfestival der Welt, wenn ich da auftrete, dann nur mit einem Projekt, das für mich Sinn hat. Daran arbeiten wir jetzt mit Marcus Hinterhäuser. Ich würde nicht nach Salzburg zurückkehren, um etwas zu wiederholen, das ich schon einmal gemacht habe, weil ich denke, dass das Publikum etwas Besseres verdient als nur Bewährtes. Und nach Wien werde ich auch immer wieder kommen.
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