Was wäre Salzburg ohne die Lust an der barocken Inszenierung der mächtigen Kirchenfürsten von seinerzeit? Ohne die Baukunst des Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656–1723), der in einer kurzen Phase von nur 15 Jahren das Stadtbild wie kein anderer geprägt hat?
Es war sein Verdienst, dass die Stilepoche des Barock im Spätherbst ihrer Entwicklung in Österreich ihre höchste Blüte erreichte. Zwischen 1693 und 1699 baute er im Fürsterzbistum Salzburg vier Kirchen: die Kollegienkirche, die Ursulinenkirche, die Dreifaltigkeitskirche am Makartplatz und die Johannsspitalkirche in Mülln.
Obendrein ist die von ihm entworfene Pferdeschwemme in der Altstadt am Herbert-von-Karajan-Platz ebenso ein bewunderter Fixpunkt beim Sightseeing wie der Hochaltar für die Franziskanerkirche, das Portal des Hofmarstalls, das Hoyos-Stöckl und das Schloss Kleßheim.
Soviel zum Outdoor-Museum in der Mozartstadt. Den gebürtigen Grazer zu seinem 300. Todestag „als Gesamtphänomen begreifbar machen“, war das Ziel der Ausstellung „Fischer von Erlach – Baumeister des Barock“ (bis 8. 10.) im Salzburg Museum in der Kunsthalle der Neuen Residenz.
Sie präsentiert das faszinierend vielfältige Werk des Architekten, der unter dem Einfluss der Schöpfungen des großen Lorenzo Bernini Kirchen und Paläste im Auftrag der Fürsterzbischöfe, der Habsburger und vieler Adeliger geplant hat, zeigt sein künstlerisches Umfeld und seine Strahlkraft.
Wien, Prag, Salzburg
Auch Wien ist ohne sein Vermächtnis nicht denkbar: In die Donaustadt war er um 1687 gekommen.
Hier entstand für den späteren Kaiser Joseph I. (1678–1711) der erste Entwurf für das kaiserliche Lustschloss von Schönbrunn, das nach seiner Idee auf dem Berg – wohl an der Stelle der Gloriette – erbaut werden sollte. Hier wurden die Paläste für Prinz Eugen und Graf Batthyány errichtet. Nach 1709 entstanden Hauptwerke wie das Palais Trautson und das Palais Clam-Gallas in Prag.
Karl VI. (1685–1740) beauftragte Fischer von Erlach mit dem Bau der Hofstallungen, der Hofbibliothek und der kuppelgekrönten Karlskirche auf der Wieden: Zu Beginn des 18. Jahrhunderts dem heiligen Karl Borromäus zum Dank für das Erlöschen der Pest errichtet, gilt sie mit Recht als sein bedeutendstes Werk.
Die Post-Pandemie-Kirche
Die Fertigstellung und den Tag der Einweihung der schönsten aller Barockkirchen nicht nur Wiens am 28. Oktober 1737 erlebte ihr Schöpfer, der kaiserliche Hofingenieur, Architekt und Oberinspektor aller kaiserlichen Hof- und Lustgebäude in Wien, nicht mehr. Fischer von Erlach hatte am 5. April 1723 „nach lang absiechender Krankheit“ mit 66 Jahren das Zeitliche gesegnet und war bei St. Stephan begraben worden.
Einer der schönsten Räume in der alten Wiener Hofburg ist die Winterreitschule (1716). Was Fischer von Erlach im 18. Jahrhundert, dem Zeremoniell dienend, hier geschaffen hat, war oft Thema für die Maler des 17. Jahrhunderts: das Reiten als die edelste Kunst des Kavaliers.
Bildhauerei und Bild
Künstlerisch und optisch opulent gestaltet hat die Schau in Salzburg Werner Feiersinger: Der Bildhauer und Fotograf präsentiert das Werk des unglaublich vielfältigen Gestalters, der virtuos und verspielt die Grenzen zwischen Architektur und Bildhauerei aufgelöst hat, außer mit Originalen und plastisch-skulpturalen Projekten auch mit großformatigen Fotos.
Für Feiersinger besonders interessant ist „das Verhältnis der Baukörper zueinander, das ergibt so ein Spannungsfeld.“ Für die Salzburger Landeskonservatorin war der österreichische Gian Lorenzo Bernini „ein Bühnenbildkünstler“. Erst durch ihn habe die Stadt an der Salzach ihre „barocke Skyline“ bekommen, die sich bis heute erhalten hat. Und Peter Husty, Kurator im Salzburg Museum, formuliert ein bisschen überspitzt: „Danach passte nichts mehr in die Innenstadt.“
„Fischer von Erlach kombinierte reine geometrische Formen und brachte den menschlichen Körper in die Architektur“, sagt Andreas Nierhaus, Kurator am Wien Museum, der mit Peter Husty die Ausstellung konzipierte, die ab 1. Februar 2024 in adaptierter Form zur Wiedereröffnung des Wien Museums am Karlsplatz zu sehen sein wird.
Mächtige Spuren in Wien
Was aus dem von Fischer von Erlach einst als kaiserliche Hofstallungen entworfenen Bau geworden ist, darüber informiert auch eine „Arealstour“ durch das MuseumsQuartier zum Leben und Werk des Architekten (bis Oktober jeden 1. Samstag, 16 Uhr und am Donnerstag 20. Juli, 16.30 Uhr).
Orientierte sich Fischer von Erlach in seinen ursprünglichen Plänen an einer monumentalen Rekonstruktion des „Domus aurea“ von Kaiser Nero, einer „Stadt der Pferde“ für 600 Pferde und Amphitheater, wurde jedoch nur die über 300 Meter lange Frontfassade mit u. a. Stallungen für die Lipizzaner und Rappen umgesetzt.
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