Staatsopern-"Falstaff": Illustration statt Interpretation

Falstaff an der Wiener Staatsoper
Giuseppe Verdis letzte Oper als szenische Zeitreise an der Wiener Staatsoper.

Wenn sich ein großer Dirigent wie Zubin Mehta etwas wünscht, dann bekommt er das im Regelfall auch. Zumindest an der Wiener Staatsoper, die den 80-jährigen Maestro endlich wieder zu einer Premiere überreden konnte. Die Wahl fiel auf Giuseppe Verdis "Falstaff". Und Mehta bat um eine Inszenierung, die doch bitte in der Entstehungszeit von Shakespeares Vorlage, also im frühen 17. Jahrhundert, spielen möge.

Gesagt, getan. Das Haus am Ring hat also einen neuen, alten Falstaff, denn Regisseur David McVicar drehte die Uhren der jüngeren Musiktheatergeschichte kräftig zurück und setzt ganz auf einen historisch-naturalistischen Zugang. Und so wird – im ebenfalls auf die Shakespeare-Zeit bezogenen Bühnenbild von Charles Edwards – die Geschichte rund um den alten, dicken Ritter Sir John und dessen amouröse Missgeschicke wie Demütigungen konventionell erzählt. Rampentheater inklusive.

Keine Meta-Ebene

Völlig ohne jede Meta-Ebene huschen die Figuren über die Bühne. Ein riesiges Bett als Falstaffs Lager, vergilbte Gemälde, der Torso einer Ritterrüstung, ein Tisch und ein (zuletzt sogar fliegender) Wäschekorb in Windsor sowie eine nächtliche Parklandschaft samt Mond – es regiert Illustration statt Interpretation. Dass die finale Geisterszene eher wie eine lustige Kinder-Halloween-Party aussieht, passt gut ins Bild. Wie auch die Kostüme von Gabrielle Dalton. Ein "Falstaff" also, der so schon seit etwa 50 Jahren im Repertoire der Staatsoper sein könnte.

Den Sängern scheint diese Maskerade aber Spaß zu machen. Vor allem Ambrogio Maestri – er sang den Ritter John bereits in der geschmackvollen Vorgängerinszenierung Marco Arturo Marellis – überzeugt stimmlich wie darstellerisch. Psychologische Elemente sind jedoch nur im Ansatz zu erleben.

Eine Mehta-Ebene

Dass Verdi wie auch sein kongenialer Librettist Arrigo Boito diesen Falstaff als altersweise Tragikomödie rund um Liebe, Leben und Tod verstanden haben, wird immerhin oft in der Musik hörbar. Zubin Mehta und das meist sichere Orchester eilen zwar zügig und teils auch bewusst lautstark durch die Partitur. Viele Momente wie etwa die große, populäre Schlussfuge aber künden von philharmonischer Klangschönheit.

Und das Ensemble? Ludovic Tézier ist ein vokal exzellenter Ford, Herwig Pecoraro ein sehr prägnanter Bardolfo und Marie-Nicole Lemieux gibt eine schlicht ideale Mrs. Quickly. Tenor Paolo Fanale entledigt sich der Partie des Fenton achtbar; Hila Fahima kämpft als Nannetta auch mit den Dimensionen der Bühne. Carmen Giannattasio gibt eine kecke Alice Ford, Lilly Jørstad (Meg Page), Thomas Ebenstein (forciert als Dr. Cajus) und Riccardo Fassi (Pistola) füllen ihre Rollen mehr oder weniger aus.

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