Eine Reifenpanne
Sie drehte damals in Bayern den amerikanischen Kriegsfilm „Verstecktes Ziel“ und wohnte im grenznahen Hotel Seewirt in der oberösterreichischen Ortschaft Franking bei Braunau, wo ich sie interviewen sollte.
Wie kann man zu Sophia Loren zu spät kommen? Der Grund war schrecklich banal: Ich hatte auf der Westautobahn einen Reifenplatzer. Also kam ich abgehetzt und zeitverzögert beim Seewirt an. Ich rechnete damit, dass die Loren mich wütend – wie Stars eben so sind – empfangen würde oder eher noch: gar nicht.
Weit gefehlt. Die damals 43-jährige Schönheit war freundlich und verständnisvoll. „Das kann doch jedem passieren“, meinte sie, bestellte Kaffee und Kuchen und begann ruhig und ohne Allüren aus ihrem Leben zu erzählen.
Nur 2. Platz als Miss Rom
Zuerst über ihren Mann Carlo Ponti, „dem ich alles verdanke, was ich bin“, wie sie sagte. Die Loren hatte Italiens bedeutendsten Filmproduzenten 1950 bei der Wahl zur „Miss Rom“ (bei der sie nur Zweite wurde) kennen gelernt. Er verpasste der aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Sophia Scicolone den Namen Loren und machte sie zum Weltstar. Legal heiraten konnten sie erst 1966, als der Staat Pontis Scheidung von seiner ersten Frau anerkannte. Bis dahin wurden er und die Loren von den italienischen Behörden der Bigamie bezichtigt.
Sophia war selbst unehelich in Rom zur Welt gekommen, weil ihr Vater, ein adeliger Bauingenieur, sich weigerte, ihre Mutter, eine Klavierlehrerin, zu heiraten. „Meine Mutter schickte mich, damit ich Geld verdiente, zu Schönheitswettbewerben und zu Fototerminen“, erzählte Sophia Loren, „ich selbst empfand mich jedoch als hässliches Entlein.“ Sie war als Statistin und als Blickfang in Filmen zu sehen, bis Carlo Ponti erkannte, dass diese junge Frau keine bloße Sexbombe ist, sondern eine große Schauspielerin mit enormer erotischer Wirkung. Die Wirkung war so groß, dass sie in Hollywood und in den römischen Cinecittà-Studios mehr als 100 Filme drehen sollte. Und das an der Seite von Stars wie Cary Grant, Clark Gable, Frank Sinatra, Richard Burton und Gregory Peck. Ihr Traumpartner aber war Marcello Mastroianni, mit dem sie in 17 Filmen zu sehen war, und als Sexsymbol stand sie in steter Konkurrenz zu ihrer Landsmännin Gina Lollobrigida.
Die Loren führte ein weitgehend skandalfreies Privatleben. Auch wenn es immer wieder Gerüchte um eine Trennung von dem um 22 Jahre älteren Carlo Ponti gab. Doch die Ehe hielt bis er 2007 im Alter von 94 Jahren starb.
In den Schlagzeilen
Gerade als ich sie im April 1978 beim Seewirt traf, stand ihr Name weltweit in den Schlagzeilen, weil ihr die italienischen Finanzbehörden Steuerhinterziehung vorwarfen, worauf sie „sicherheitshalber“ von Rom nach Paris übersiedelte. „Ja, ich habe ein Problem“, sagte die Loren, als ich sie danach fragte, „aber es wird ein Happy-End geben. Ich freue mich, bald wieder in meiner Heimat Italien leben zu können.“
Das konnte sie tatsächlich – wenn auch unter wenig erfreulichen Umständen: Zwei Jahre nach unserem Gespräch wurde „La Loren“ wegen der ihr angelasteten Steuerdelikte zu 30 Tagen unbedingter Haft in der Strafanstalt von Caserta verurteilt. Ganz Italien war aus dem Häuschen, als sein größter Star im Gefängnis saß. Die Strafe wurde später von der Letztinstanz aufgehoben, aber die Demütigung konnte ihr keiner mehr nehmen.
Im Februar 1995 kam Sophia Loren als Gast von Richard Lugner zum Opernball nach Wien. Sie hätte die Einladung aus nostalgischen Gründen angenommen, weil sie 1960 mit Vittorio De Sica und Maurice Chevalier in Wien den Film „Prinzessin Olympia“ gedreht und sich damals in die Stadt verliebt hatte. „Ich habe mir geschworen, eines Tages zurückzukehren, und der Opernball war die Gelegenheit dazu“.
Befremden löste bei vielen ihrer Landsleute das politische Umfeld der weltoffenen Diva aus. Ihre jüngere Schwester Anna Maria war mit dem Sohn des „Duce“ Benito Mussolini verheiratet, und deren Tochter Alessandra Mussolini führte von 2003 bis 2009 die neofaschistische Partei Italiens an, der sie heute noch angehört.
Nicht über Politik
„Tante Sophia“ hat ihre Nichte, die sich in jungen Jahren als Schauspielerin versuchte, unterstützt und nie zu ihrer politischen Tätigkeit Stellung bezogen. Die einzige Aussage des Weltstars zu diesem Thema lautete: „Ich interessiere mich nicht für Politik.“
Dazu hätte ich sie damals beim Seewirt noch gerne befragt. Aber das wär sich selbst dann nicht ausgegangen, wenn ich pünktlich angekommen wäre.
georg.markus
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