ESC: Russland beschwert sich über Sieg der Ukraine

Aus den Reihen russischer Abgeordneter kommen drastische Worte. Ukrainische Politiker für Austragung auf der Krim.

Russische Abgeordnete haben den Sieg der ukrainischen Sängerin Jamala ("1944") beim 61. Eurovision Song Contest als politisch motiviert kritisiert. Das Siegerlied über die Vertreibung der Tataren sei kein Beitrag zum gesamteuropäischen Kulturdialog, dem sich der Wettbewerb verschrieben habe, sagte der Außenpolitiker Alexej Puschkow. Der ESC verwandle sich in ein politisches Schlachtfeld. Ähnlich äußerte sich der russische Parlamentarier Konstantin Kossatschjow. Der Erfolg von Jamala sei ein "Sieg des Kalten Krieges" des Westens gegen Russland, meinte er der Agentur Tass zufolge in Moskau.

Der Politiker Ruslan Balbek von der moskautreuen Führung der Halbinsel Krim sprach von einem "Ergebnis der antirussischen Politik". Der Westen habe das Votum des Publikums, das mehrheitlich für den russischen ESC-Kandidaten Sergej Lasarew ("You Are The Only One") gestimmt hatte, ignoriert und einer "ukrainischen Erpressung" nachgegeben. Jamala thematisiert in ihrem Lied die Vertreibung der Tataren von der Halbinsel Krim unter Sowjetdiktator Josef Stalin.

Auch im russischen Staatsfernsehen wurde der ukrainische Sieg kritisiert. Jamala habe durch Punkte einer Jury gewonnen, die im Hinterzimmer ihre Entscheidung getroffen habe, sagte ein Teilnehmer einer Diskussion.

Nährboden für Verschwörungstheorien

In kremlnahen Medien wurde bereits im Vorfeld der Song von Jamala zum Thema von Verschwörungstheorien. So schrieb das Onlineportal Lifenews, dass beim ESC nach geopolitischen Prinzipien abgestimmt werde. Das Portal steht dem russischen Geheimdienst nahe. Der zum Gazprom gehörende Fernsehsender NTW berichtete noch vor dem Finale am Samstagaben, dass es sich bei demm Wettbewerb in Wahrheit nur um eine Arena für Intrigenspiele handle.

Die Boulevardzeitung Komsomolskaja Prawda sprach in ihrer Sonntagsausgabe davon, dass die "europäische Jury" Russland den Sieg gestohlen hätte und jemand hätte versucht um jeden Preis den Sieg des Landes verhindern zu wollen. Auch die Enthüllungsplattform Wikileaks stimmte in den Tenor ein. Über Twitter kritisierte sie den Song Contest als Erweiterung der geopolitischen Bühne, repräsentativ für Westeuropa und andere Gruppen des UN-Sicherheitsrates.

Jubel in der Ukraine

Dagegen herrscht bei ukrainischen Politikern Jubelstimmung. Die Ukraine darf als siegreiches Land bestimmen, wo der Song Contest 2017 ausgetragen wird und dies könnte zu politischen Verwicklungen führen, weil sich ukrainische Politiker bereits in der Nacht auf Sonntag für eine Austragung auf der russisch besetzten Krim aussprachen. "Der nächste Wettbewerb sollte auf der ukrainischen Krim sein", twitterte die Abgeordnete Switlana Salischtschuk.

Salischtschuk gehört im Parlament dem Block von Präsident Petro Poroschenko an. Dieser hatte den Sieg Jamalas als "unglaublich" bejubelt, Außenminister Pavlo Klimkin ergänzte seine euphorischen Glückwünsche mit dem Satz: "Und nicht vergessen, die Krim gehört zur Ukraine."

Song-Contest-Direktor Jon Ola Sand geht indes von einer Austragung in Kiew aus. Bei der Pressekonferenz von Siegerin Jamala sagte er in Richtung der ukrainischen Delegation, er sei sicher, "dass wir es schaffen, eine fantastische Veranstaltung im wunderschönen Kiew nächstes Jahr auf die Beine zu stellen". Als er das Wort "Kiew" aussprach, rief ein Teilnehmer der Pressekonferenz den Namen der Krim-Stadt Jalta dazwischen.

Der Eurovision 2016 hat einen Social-Media-Rekord aufgestellt. Mehr als sieben Millionen Tweets seien zum Finale am Samstagabend eingegangen, wurde vom offiziellen Twitter-Account @Eurovision getwittert. Damit sei der Rekord vom vergangenen Jahr gebrochen worden.

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