So viele Besucher wie noch nie in Salzburg

So viele Besucher wie noch nie in Salzburg
Die Salzburger Festspiele 2012 enden dieses Wochenende. Der auch oft kritisierte Intendant Alexander Pereira im großen Abschluss-Interview.

Die Salzburger Festspiele 2012 gehen am Wochenende zu Ende – mit Konzerten und dem neuen Festspielball. Präsidentin Helga Rabl-Stadler, Alexander Pereira, Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf und der Konzertverantwortliche Matthias Schulz präsentierten am Freitag ihre Festspielbilanz. 278.978 Besucher aus 78 Nationen gab es in 256 Veranstaltungen – die höchste Zahl in der 92-jährigen Geschichte. Im Mozartjahr kam Salzburg auf 265.000.

40.000 Karten mehr wurden aufgelegt, die Auslastung betrug 90 Prozent. Zuletzt waren es 95 Prozent gewesen. Pereira wehrte sich gegen den Vorwurf, zu viele günstige Karten, etwa an die Freunde der Festspiele, vergeben zu haben. Das sei etwa 2011 bei der "Sache Makropoulos" stärker der Fall gewesen.

Die Einnahmen hätten erstmals die 30-Millionen-Euro-Grenze überschritten – 1,5 Millionen mehr als budgetiert. Rabl-Stadler sprach von "Dank und Freude". Bechtolf lobte die Mitarbeiter der Festspiele, die "bis zur Selbstausbeutung arbeiten". Und er freute sich über den Zuspruch des Publikums : "Wir haben die Kritik entzweit, aber das Publikum geeint."

Zuletzt in Zürich hatte ich fast einen Heiligenschein", sagte Alexander Pereira bei der Präsentation seiner ersten Festspielbilanz. In Salzburg musste er, zumindest im ersten Jahr, auch mit Gegenwind fertigwerden. Im KURIER-Interview nimmt er Stellung: Der neue Intendant über Erfolge und Vorwürfe, Geld und Glamour sowie Pläne für 2013.

KURIER: Sie stehen, wie in vielen Analysen zu lesen, für das Superlativische. Daher eine superlativische Frage: Was war für Sie selbst das Schönste an den Festspielen 2012?

Pereira: Ich möchte das mit dem Superlativ gerne etwas kleiner machen als dargestellt. Darum geht es mir nicht. Für mich selbst war die Ouverture spirituelle das Schönste. Ich hatte schon einst in meiner Bewerbung für das Wiener Konzerthaus dem Direktorium ein Festival geistlicher Musik vorgeschlagen. Seither ist die Idee geschlummert. Jetzt, da ich ein Festival leite, bei dem Opern und Konzerte zusammentreffen, wollte ich das unbedingt machen. Dafür haben wir das Festival um eine Woche verlängert, weil es anders nicht möglich gewesen wäre. Dahinter steckt ein bescheidener Gedanke, der mit Glamour und Gigantomanie nichts zu tun hat.

Aber nicht alle Konzerte waren voll ...
Das ist hier kein Kriterium. Wir hatten bei der Ouverture spirituelle eine Auslastung von 90 Prozent. Und sie war künstlerisch ein großer Erfolg. Die Menschen haben auch den spirituellen Wert beklatscht. Wir haben es damit auf die Titelseite der New York Timesgeschafft, wo es sonst um traurige Themen wie Syrien geht.

Worauf sind Sie im Opernbereich am meisten stolz?
"Die Soldaten" waren ein absoluter Höhepunkt. Aber ich gebe zu: Es ist leichter, mit zeitgenössischer Musik zu punkten als mit der "Bohème". Auch der große Erfolg von "Ariadne" freut mich sehr. Dieses Werk zählt zu meinen liebsten.

Intensive Kritik

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"Die Zauberflöte" ist bei der Kritik durchgefallen. Sehen Sie das auch so?
Mit der "Zauberflöte" zu beginnen, ist das Riskanteste, was man tun kann. Jeder glaubt zu wissen, wie man das dirigiert und inszeniert. Aber man muss in Salzburg die späten Mozart-Opern pflegen. Den Da-Ponte-Zyklus hat es gerade gegeben, die letzte "Zauberflöte" ist aber schon einige Jahre her. Ich finde, die Aufführung wurde unter ihrem Wert geschlagen. Das hat vielleicht damit zu tun, dass von den 1400 Premierenbesuchern 400 von Sponsoren geladene Gäste waren. Da ist der Funke nicht übergesprungen. Und wenn es im Publikum keine Stimmung gibt, gibt es auf der Bühne auch zu wenig. Ich habe gelernt, dass man in Zukunft die Kontingente für Sponsoren bei solchen Aufführungen verkleinern muss. In den späteren Aufführungen hat es jeweils Standing Ovations gegeben.

Waren Sie von der Intensität der Kritik, auch von ausländischen Medien, überrascht? Wie sehr kränkt es Sie, wenn von Beliebigkeit im Programm die Rede ist?
Ich bin traurig, wenn man die Dinge nur oberflächlich betrachtet. Ja, wir haben heuer 40.000 Karten mehr aufgelegt und die Festspiele auch um zwei Tage verlängert, damit das Wochenende noch hineinfällt. Alles andere wäre touristische Idiotie. Aber von den 40.000 Karten verteilen sich unter anderem 15.000 auf die vor dem bisherigen Festspielbeginn angesetzte Ouverture spirituelle, 7000 auf die letzten beiden Tage und 6000 auf den Residenzhof. Ich halte es für wichtig, dort zu spielen, damit man bei Sommerfestspielen auch ein Sommerflair auf einer Open-Air-Bühne hat. Ich empfinde das Gerede von zu überdimensionierten Festspielen als hochstilisierte Hysterie, auch aus dem eigenen Haus. Wir haben bewiesen: Wir schaffen das alles.

Dennoch waren zahlreiche Veranstaltungen, auch mit Stars, nicht ausverkauft.
Nehmen wir die Händel-Oper "Tamerlano". Da gab es bei der Premiere 60 freie Plätze. Den Ort auf der Welt zeigen Sie mir, wo man dieses Werk wie bei uns zwei Mal vor je 2200 Besuchern spielen kann. "Il re pastore" mit Rolando Villazòn habe ich aus Zürich mitgebracht. Das war schon dort schwierig zu verkaufen. Aber ich wollte zeigen, wie fabelhaft Villazòn Mozart singt.

Eine Kritik kam heuer immer wieder: Es gebe zu viel Zürich in Salzburg.
Zürich ist in den letzten Jahren zu einem Opernhaus der Champions League geworden. Für junge Sänger war es vielleicht das wichtigste Haus überhaupt. Wir hatten 65 Sänger im Ensemble. Kein anderes Haus hat so viele Topsänger wie Cecilia Bartoli, Jonas Kaufmann, Piotr Beczala, Massimo Cavalletti, Julia Kleiter, Elena Mosuc, Emily Magee u. v. a. hervorgebracht. Ich war dort 21 Jahre Intendant – warum sollte ich dann nicht mehr mit diesen guten Sängern und den erfolgreichen Regisseuren zusammenarbeiten. Das Einzige, wo ich mir die Zürich-Schuhe anziehen lasse, ist, dass wir dort mit Harnoncourt und Welser-Möst so intensive Mozart-Pflege betrieben haben wir kein anderes Haus der Welt. Deshalb machen wir in Salzburg auch mit Franz Welser-Möst als Dirigent und Sven-Eric Bechtolf als Regisseur einen neuen Da-Ponte-Zyklus, beginnend 2013 mit "Così fan tutte". Wir werden die Erfahrungen aus Zürich mit der Mozartpflege in Wien und Salzburg verbinden und nochmals losstarten.

Weitere Pläne

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Weitere Pläne stehen ebenso fest, etwa "Meistersinger" mit Daniele Gatti als Dirigent und Stefan Herheim als Regisseur. Wollen Sie Bayreuth Konkurrenz machen?
Nein, aber das Wagner-Jahr 2013 (200. Geburtstag des Komponisten, Anm.) bietet uns eine einmalige Chance. Und in Bayreuth werden "Meistersinger" 2013 nicht gespielt. Roberto Saccà wird den Stolzing singen. Sie werden staunen, wie gut er das als lyrischer Tenor macht. Wir spielen auch "Rienzi" konzertant.

Dazu Verdis "Don Carlo" und auch den "Falstaff". Wer wird den dirigieren?
Zubin Mehta dirigiert "Falstaff". Damiano Michieletto, der die "Bohème" inszenierte, führt Regie. Das wird, wie "Meistersinger", in einer kleineren, fast kammermusikalischen Besetzung gespielt – so wie es Verdi ursprünglich geplant hatte.

UNIQA steigt als Hauptsponsor der Festspiele aus. Wie sehr trifft Sie das?
UNIQA bleibt als Projektsponsor erhalten. Wir werden 2013 insgesamt 13,5 Millionen Euro von Sponsoren bekommen, fünf Millionen mehr als 2011. Damit haben wir erstmals gleich viel Geld von Sponsoren wie von Subventionsgebern.

An diesem Samstag findet der erste Festspielball statt. Warum dieses Event?
Das ist als großes Abschlussfest gedacht und etwas völlig anderes als ein Ball im Fasching. Das wird auch in den kommenden Jahren weitergehen, soll aber niemals dem Opernball Konkurrenz machen. Und wenn wir damit ein bisschen verdienen, ist es kein Fehler.

Stichwort Geld: Sie hatten vor den Festspielen einen Konflikt mit Ihrem Kuratorium über das Budget. Hat sich der Streit gelohnt?
Seit ich in Salzburg bin, bin ich erstaunt, dass alle über Geld reden. Viel mehr als über Kunst. Ich musste den Kampf um Tariflohnerhöhungen beginnen. Uns fehlen jedes Jahr 500.000 bis 600.000 Euro dafür. Die Bundesministerin hat bereits gesagt, dass man das klären wird müssen. Wenn es gelingt, dass nicht nur die Salzburger Festspiele, sondern alle österreichischen Theater eine Tariferhöhung bekommen, dann würde ich verdienen, dass man mich nicht kritisiert, sondern in Schutz nimmt für dieses Thema. Ich bin ja kein eiskalter Idiot, der sich nur für das Geld interessiert und nicht für Kunst.

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