Rasante Zugfahrt rund um den völlig vereisten Erdball

Kaum wiederzuerkennen: Tilda Swinton mit falschen Zähnen und einer strengen Eulen-Brille in "Snowpiercer"
Die Überlebenden einer neuen Eiszeit liefern sich in "Snowpiercer" blutige Klassenkämpfe. Weiters: Johnny Depp in "Transcendence", Iris Berben in "Miss Sixty" und Doku über Backgroundsängerinnen.

Es heißt nicht umsonst "die oberen Zehntausend": Wer Geld hat, lebt üblicherweise näher an der Sonne. Wer keines hat, verrottet im Untergeschoß. Schon in Fritz Langs Stummfilmklassiker "Metropolis" schmachten die Unterdrückten im Maschinenraum. Die Reichen lustwandeln auf Dachterrassen.

Auch in jüngerer Hollywood-Science-Fiction wird die vertikale Rangordnung – oben reich, unten arm – streng eingehalten. In Katastrophen-Filmen wie "Oblivion" oder "Elysium" verlassen die Privilegierten gleich ganz die Erde und bauen sich ihre Luxus-Villen im All.

Der südkoreanische Starregisseur Bong Joon-ho macht es anders. Seine Klassengesellschaft ist horizontal angeordnet – in einem langen, dahinrasenden Zug. In den hinteren, fensterlosen Waggons hausen verelendete, dreckige Gestalten, während die vorderen, hellen Luxus-Abteile samt Beauty-Salons den Mächtigen vorbehalten bleiben. Dieser Zug jagt in rasantem Tempo durch eine komplett vereiste, unbewohnbare Landschaft und umrundet dabei immer wieder die Erde. Seine Insassen sind die letzten Überlebenden einer neuen Eiszeit.

" Snowpiercer" ist Bong Joon-hos erster englischsprachiger Film. Mit seinem Horror-Meisterstück "The Host" erreichte er 13 Millionen Zuschauer in Korea und stellte sich in den internationalen Preisregen. Für "Snowpiercer" adaptierte er den Comicroman "Schneekreuzer" und besetzte ihn mit einem internationalen Ensemble – von "Captain America" Chris Evans, Tilda Swinton, Jamie Bell bis hin zu dem Star aus "The Host", Song Kang-ho.

In den USA nahmen die notorischen Weinstein-Brüder den Film in Verleih, kündigten aber Zensuren an – was zu Streitereien mit dem Regisseur führte. Nach letztem Stand bekommt das US-Publikum nun doch eine ungekürzte Version zu Gesicht – aber nur in wenigen Kinos.

Todes-Tangos

Tatsächlich überragt Bongs dunkel-versponnener Apokalypse-Thriller das durchschnittliche Blockbuster-Spektakel mit seinen kontemplativen Spannungspausen. Eine aufständische Truppe unter der Führung von Curtis (Chris Evans) arbeitet sich von Waggon zu Waggon Richtung Lokführer – dem Zentrum der Macht. Hinter jeder Waggon-Tür verbirgt sich ein neues, zumeist blutiges Abenteuer. Den düsteren Realismus von halluzinatorischen Schlachtszenen und intimen Todes-Tangos unterbricht Bong immer wieder mit bizarr-bunten Komik-Einlagen. So etwa Tilda Swinton als Albtraum einer militanten Brit-Gouvernante: Mit riesiger Eulenbrille und falschen Zähnen terrorisiert sie ihre Untergebenen.

Visuelle Anleihen fand Bong offensichtlich bei Terry Gilliams "Brazil", während die Außenaufnahmen für die gewaltigen Schneelandschaften bis nach Österreich führten – laut Abspann in die Zillertaler Alpen.

KURIER-Wertung:

INFO: "Snowpiercer". Thriller. Südkorea/USA/F/ CZ 2013. 126 Min. Von Bong Joon-ho. Mit Chris Evans, Tilda Swinton, Jamie Bell, Song Kang-ho.

Rasante Zugfahrt rund um den völlig vereisten Erdball
Ein Zug jagt in "Snowpiercer" in rasantem Tempo durch eine komplett vereiste, unbewohnbare Landschaft und umrundet dabei immer wieder die Erde.
Rasante Zugfahrt rund um den völlig vereisten Erdball
Seine Insassen sind die letzten Überlebenden einer neuen Eiszeit.
Rasante Zugfahrt rund um den völlig vereisten Erdball
Johnny Depp in "Transcendence": Dem genialen Wissenschaftler Dr. Will Caster (Depp) ist es gelungen, Maschinen mit künstlicher Intelligenz und menschlichen Emotionen auszustatten. Als Caster bei einem Attentat von militanten Fortschrittsskeptikern schwer verletzt wird, gelingt es seiner Frau Evelyn (Rebecca Hall), Casters Bewusstsein an einen Computer anzuschließen. Mit unkalkulierbaren Folgen . . .
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Das Supergehirn macht sich daran, die Weltherrschaft zu übernehmen. Regisseur Wally Pfister entwirft in seinem Spielfilmdebüt eine düstere Vision über unseren Umgang mit Maschinen und computergesteuerter Intelligenz.
 
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Pfister stand für Christopher Nolan ("Memento", "Inception") bereits sechs Mal an der Kamera.
Bild: Morgan Freeman und Johnny Depp in "Transcendence"
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"Miss Sixty": Bloß nicht erwachsen, alt, spießig werden. Iris Berben spielt eine 60-Jährige, die nach ihrer beruflichen Karriere nun doch noch ein Kind haben will.
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Während sie nach einem Samenspender für ihre eingefrorenen Eizellen sucht, lernt sie Frans (Edgar Selge) kennen, ebenfalls in reiferem Alter, aber trotzdem vom Jugendwahn besessen.
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Gemeinsam werden sie mit einer harten Erkenntnis konfrontiert: Spätestens mit 60 wäre es an der Zeit, der Realität ins Auge zu sehen und erwachsen zu werden, was am Ende vielleicht doch nicht so schlimm ist wie befürchtet.
Bild: Berben, Selge, Carmen-Maja Antoni (links)
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"20 Feet from Stardom": Bruce Springsteen (Bild), Sting und Mick Jagger sind hier ausnahmsweise nicht die Stars.
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Im Oscar-prämierten Dokumentarfilm "20 Feet From Stardom" kommen sie zwar zu Wort, müssen das Rampenlicht aber jenen überlassen, die sonst nur in der zweiten Reihe stehen: ihren Backgroundsängerinnen.
Rasante Zugfahrt rund um den völlig vereisten Erdball
Diesen hat Regisseur Morgan Neville ein filmisches Denkmal gesetzt, das kurzweilig, bunt, durchwegs unterhaltsam und mit einem grandiosen Soundtrack hinterlegt einen Ausflug in den "Hintergrund" ermöglicht.

Ein Johnny Depp, ein Morgan Freeman, Rebecca Hall. Ein Drehbuch, das auf der Begehrtenliste von Hollywood ganz oben stand. Ein Kameramann, der für Christopher Nolan von "Memento" über "Inception" bis zur "Batman"-Trilogie sechs Filme fotografierte, zum ersten Mal als Regisseur: Wally Pfister.

Was kann da schon schiefgehen? Alles kann.

Es ist selten, dass man einem Blockbuster, in dem normalerweise alles von allen Seiten abgesichert wird und den auch Christopher Nolan produzierte, derart beim Scheitern zuschauen kann.

Visuelle Kraft? Hat man alles irgendwie irgendwo (nein, nicht irgendwo, sondern bei Nolan) origineller gesehen. Die Schauspieler? Waren alle schon mal inspirierter. Die Inszenierung. Welche Inszenierung?

Bleibt die Idee. Gut. Die Idee, die Ausgangssituation ist interessant für einen Sci-Fi-Thriller, der über Existenzielles grübeln will. Aber das Drehbuch reißt nur an und führt nicht aus: Der Film taumelt fast wahllos zwischen Schauplätzen und Schauspielern hin- und her, als wollte er irgendwo Halt finden. Ein Wissenschaftler fällt einem Attentat zum Opfer, weil er an der Entwicklung eines Computers arbeitet, der auch über Gefühle verfügt. Seine Frau, ebenfalls Wissenschaftlerin, sieht in einer dunklen Garage mit zerbrochenen Fensterscheiben nur eine Chance, um ihn nicht zu verlieren: Sie lädt ihn hoch und verschmilzt sein Gehirn mit einem Computergehirn.

Mensch-Maschine

Von da an ist er digital überall, Johnny Depp Superhirn, der bald Blinde sehend machen kann und Gelähmte gehend und seiner geliebten Frau Rotwein nachschenken. Aus Menschen macht er Maschinen, wie er selbst eine ist, und er beherrscht sie.

Ein bisserl Theologie (Wissenschaftler, die Gott spielen wollen), eine große Liebe (die den Tod überwinden will) und Computer-Hokuspokus. Das Ganze ist nicht neu (das will man den Film gar nicht vorwerfen), aber etwa so spannend vorgetragen wie ein neues Programm zu lernen. Das wollen wir ihm schon ein bisschen vorwerfen.

KURIER-Wertung:

INFO: "Transcendence". Sci-Fi. USA 2014. 109 Min. Von Wally Pfister. Mit Johnny Depp, Morgan Freeman, Rebecca Hall

Tragikomödie. Die beiden können einander nicht leiden. Als er über eine Midlife-Crisis klagt, antwortet sie: "Wie alt will er denn werden? 150?!"

Wir haben es mit "Best Agern" um die sechzig zu tun. Galerist Frans, gespielt von Edgar Selge, ist dem Jugendwahn verfallen und wählt das Alter seiner Gespielinnen dementsprechend. Luise ( Iris Berben) hat ein schlimmeres Problem: Sie, die erfolgreiche Molekularbiologin, steht plötzlich vor der Pension und ohne Kind da. Mit 60 will sie daher eine späte Geburt wagen. Ihre Eizellen lagern bereits im Eisfach. Die Wahl des Samenspenders fällt aber ausgerechnet auf Frans’ Sohn.

Wie sich Luise und Frans näherkommen, hat durchaus Witz, auch wenn Berbens Spiel etwas Pfeffer aus den Dialogen nimmt. Unterhaltsam sind Luises Versuche, das Mutterdasein am lebenden Objekt (der Sprössling ihres Chefs) zu üben. Das Hauptproblem des Films: Es fehlt an Glaubwürdigkeit. Man hat ständig jene Iris Berben vor Augen, die in der Klatschpresse für "ewige Jugend" steht. Dass die Problemlagen älterer Frauen nachvollziehbar werden, befördert dies jedenfalls nicht.

KURIER-Wertung:

INFO: " Miss Sixty". D 2014. 98 Min.Von Sigrid Hoerner. Mit: Iris Berben, Edgar Selge, Carmen Maja-Antoni

Lou Reed besang sie in seinem Welthit "Walk on the Wild Side" – jene (meist) schwarzen jungen Frauen, die im Hintergrund einem (meist) weißen Sänger ihre Stimmen liehen. Die Geschichte der Background-Sängerinnen erzählt die Oscar-prämierte Doku "20 Feet from Stardom" von Morgan Neville. Sängerinnen wie Darlene Love, Merry Clayton und Lisa Fischer – alles Weltklasse-Stimmen, deren Namen man kennen müsste – die aber im Schatten von Sting, den Rolling Stones oder anderer Bands blieben. Teuer produziert und mit hochkarätigen Interviewpartnern bestückt, gibt Neville Einblick in die zweite Reihe des Musik-Biz.

KURIER-Wertung:

INFO: "20 Feet from Stardom". Doku. USA 2013. 91 Min. Von Morgan Neville. Mit Darlene Love, Bruce Springsteen.

"Und morgen Mittag bin ich tot"

Drama. Eine junge Frau leidet an einer unheilbaren Krankheit und will selbst entscheiden, wann und wie sie stirbt. Heimlich organisiert sie sich einen Krankentransport nach Zürich, wo Sterbehilfe erlaubt ist. Preisgekröntes deutsches Drama.

"Ride Along"

Action-Komödie. Um seinen zukünftigen Schwager – einen ultra-harten Cop, gespielt von Ice Cube – zu beeindrucken, geht Ben (Kevin Hart) mit ihm auf Polizeistreife. Buddy-Movie und Action-Comedy.

"Irre sind männlich"

Komödie. Nachdem er mit seiner krankhaften Eifersucht seine Beziehung ruiniert hat, beschließt Daniel (Fahri Yardim), eine Therapie zu machen. Sein bester Freund (Milan Peschel) begleitet ihn bei der Familienaufstellung. Deutsche Komödie.

"Für immer Single?"

Liebeskomödie. Jason (Zac Efron) hat seinen Freunden versprochen, in nächster Zukunft Single zu bleiben. Allerdings trifft er auf die attraktive Ellie (Imogen Poots), die seine Pläne durchkreuzt. Er verliebt sich wider Willen in sie. Romanze.

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