"Snowden": Der Musterschüler der Spione

Joseph Gordon-Levitt verkörpert den berühmten Whistleblower Edward Snowden als braven, wenig aufregenden Computer-Streber
Oliver Stone zeichnet ein enttäuschend blasses Porträt von Edward Snowden.

Die Zeiten, in denen Oliver Stone politisch relevante Filme drehte, sind vorbei. Filme, über die es sich zu diskutieren lohnte, neuralgische Geschichtslektionen wie "Nixon" und "JFK"; oder, noch weiter zurück, fiebrige Kriegsporträts wie "Geboren am 4. Juli" oder "Platoon" sind längst Filmgeschichte.

Nun scheint die Story des berühmten Whistleblowers und Ex-Geheimdienstlers Edward Snowden wie aufgelegt, um einen alten Verschwörungstheoretiker wie Oliver Stone zu Hochform auflaufen zu lassen und unter dem Deckmantel der "National Security" globale Strategie-Spiele zu enttarnen. Das versucht Stone auch, enttäuscht aber mit seinem wenig dringlichen, schematisch-blass gezeichnetem Buben-Porträt.

Stone entwirft das Bild eines zutiefst patriotischen, integren (um nicht zu sagen faden) Computer-Strebers, der sich in die komplexesten Datenprogramme einhacken kann und aufgrund seines Großtalents innerhalb der CIA und der NSA zügig Karriere macht. Solange, bis ihm an den allumfassenden Abhörmethoden Zweifel an seiner Arbeit kommen.

So weit, so bekannt.

Nun ist es nicht die Schuld von Joseph Gordon-Levitt, dass Ed Snowden kein so aufregender Typ ist wie beispielsweise Jim Morrison von "The Doors". Da hatte es Val Kilmer in Stones’ Bio-Pic eindeutig leichter. Stattdessen kämpft Gordon-Levitt mit der Verkörperung eines Computer-Nerds, den er mit derartig braver Gründlichkeit nachstellt, dass man vor Langeweile weinen möchte. Sein Snowden ist temperamentloser Musterschüler und stapft mit blankem Gesicht über zwei Stunden lang durch seine Lebensgeschichte.

Einfühlend

Es beginnt mit einem Szenario, das man aus Laura Poitras exzellenter Oscar-Doku "Citizenfour" kennt: Snowden trifft die Filmemacherin und den Journalisten Glenn Greenwald in einem Hotelzimmer in Hongkong und beginnt vor laufender Kamera mit seinen Enthüllungen. Die Spannung, die sich bei Poitras aus der Live-Situation ergibt, ist fast unerträglich, zumal Poitras selbst mit rigoroser Strenge auftritt. Bei Stone, der diese Szenen praktisch eins zu eins nachstellt, verkommt die vigilante Dokumentaristin zur mütterlichen Dame mittleren Alters, die einfühlende Fragen stellt.

In Rückblenden werden die wichtigsten Berufs- und Liebesstationen abgeklappert. Dabei verlässt sich der Regisseur stark auf ein Dialog-Kino der Großaufnahmen, ohne auf sonderlich charismatische Gesichter zurückgreifen zu können. Shailene Woodley als Freundin Lindsay übernimmt die wenig dankbare Aufgabe des emotionalen Sidekicks neben Computer-Superman.

Nun verblüfft es immer wieder, in welchem Ausmaß die Geheimdienste unser aller Privatleben durchleuchten. Auch Stone gelingen einige effektvolle Momente. Nicht ohne Witz lässt er Snowden verkünden, er verstünde ja, dass die USA Russland oder China lahmlegen wolle: "Aber Österreich?"

An dieser Stelle grinst eine Alpenkuh mit bimmelnder Glocke in die Kamera. Da weiß man wieder, wo man seinen geopolitischen Platz hat.

INFO: USA 2016. 134 Min. Von Oliver Stone. Mit Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley.

KURIER-Wertung:

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