Siegfried Unseld: Er publizierte Autoren, keine Bücher
Lieber Peter Handke, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir nach genauer Lektüre Ihres Manuskriptes uns entschieden haben, Ihre Arbeit in den Suhrkamp Verlag zu übernehmen. (....)
Über Einzelheiten müsse man noch reden, schreibt Verleger Siegfried Unseld, in dem Manuskript befänden sich "Austriazismen und auch einige umständliche Formulierungen". Man redete, einigte sich. Wenig später erschien "Die Hornissen", bald darauf "Die Publikumsbeschimpfung" bei Suhrkamp.
Autoren wie Handke, Martin Walser oder Uwe Johnson wurden von ihm entdeckt und lange vor ihrem Durchbruch gefördert. Auf die Frage, wie der Suhrkamp Verlag zu charakterisieren sei, pflegte Unseld zu antworten: "Hier werden keine Bücher publiziert, sondern Autoren."
Der junge Hund
Nach Suhrkamps Tod leitete Unseld mit Beginn der Sechziger eine Modernisierung in die Wege, die den Zeitgeist widerspiegelte. Zu den Publikationen gehörten die Schriften der "Frankfurter Schule", also u. a. der Philosophen Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse, aber auch Debattenbücher zur Durchsetzung aufklärerischer Positionen wie die im Geist der 68er gegründete regenbogenfarbene "Edition Suhrkamp".
Der Charismatiker
Schlicht "Unseld" heißt das 335 hochformatige Seiten dicke Buch, das die langjährigen Suhrkamp-Mitarbeiter Raimund Fellinger und Matthias Reiner nun anlässlich seines 90. Geburtstages herausgegeben haben. Am Cover prangt ein großes schwarz-weiß Foto des charismatischen Verlegers. "Ein Leben in Bildern und Texten", versprechen die Herausgeber. Doch entgegen seiner äußeren Anmutung ist der schwere Band keine schwärmerische Biografie, sondern ein spannender Abriss deutscher Gegenwartsliteratur und Nachkriegsgeschichte in Form von Zitaten, Zeitungsausschnitten, persönlichen Aufzeichnungen und Fotos – Dokumente, die große und kleine, aber stets aufschlussreiche Momente im Werden des linken Verlags schildern.
Dann sind da die Korrespondenzen mit Amoz Oz; die ersten Rezensionen, die Unseld über Max Frisch schrieb und die Briefe, mit denen Unseld Ingeborg Bachmann ermutigte, zu Suhrkamp zu kommen.
Da sind Bilder der Studentenrevolte, die bei der Frankfurter Buchmesse ’68 ihre Spuren hinterließ. Und die Erinnerungen an "Literaturskandale" wie Bernhards "Holzfällen" oder Walsers "Tod eines Kritikers". Frank Schirrmacher lehnte damals einen Vorabdruck in der FAZ ab. Für das vorliegende Unseld-Buch hätte er das Vorwort schreiben sollen. Er starb zu früh.
Die Konflikte
Seit Jahren tobt bei Suhrkamp ein Machtkampf der Gesellschafter. Ulla Unseld-Berkéwicz, Siegfried Unselds Witwe und Verlagschefin seit 2003, matcht sich mit Minderheits-Eigner Hans Barlach, die beiden haben einander mehrfach verklagt. Im
Mai 2013 meldete der Verlag überraschend Insolvenz an, Unseld-Berkéwicz legte ein Sanierungskonzept vor, das Barlach entmachten sollte, das der Deutsche Bundesgerichtshof nun jedoch heftig kritisierte.
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