Bei ihm war Zeitgeschichte Bestseller

Lenz hinterlässt 14 Romane, Erzählungen und Dramen, darunter Welterfolge wie „Deutschstunde“ (1968), „So zärtlich war Suleyken“ (1955) und „Schweigeminute“ (2008).
Mit dem Autor der "Deutschstunde" starb einer der wichtigsten deutschen Nachkriegsautoren.

Im vergangenen Juni hatte Siegfried Lenz daran gedacht, was nach seinem Tod sein würde. Er hatte eine Stiftung ins Leben gerufen, die sein Werk wissenschaftlich aufarbeiten und junge Schriftsteller unterstützen sollte. Scharfsinnig und klar wie in seinem literarischen Werk hatte er auch seine persönliche Zukunft analysiert: "Meine Frau Ulla und ich sind in einem Alter, wo es Zeit wird, wichtige Dinge vernünftig zu regeln."

Seit Jahren war Lenz gesundheitlich schwer angeschlagen. Auf den Rollstuhl angewiesen, lebte er in einem Appartement in einer Hamburger Senioren-Residenz mit Blick auf den Elbstrom. Erst vor vier Jahren hatte Lenz Ulla Reimer, seine langjährige Nachbarin geheiratet, die ihm geholfen hatte, die Trauer nach dem Tod seiner ersten Frau Liselotte, mit der er 57 Jahre verheiratet gewesen war, zu überwinden.

Nun ist alles sehr schnell gegangen: Siegfried Lenz, der mit Heinrich Böll (1985) und Günter Grass (86) wichtigste deutsche Nachkriegsautor, ist am Dienstag im Alter von 88 Jahren in Hamburg im Kreise seiner Familie gestorben. Für den heutigen 8. Oktober hatte sein Verlag Hoffmann und Campe noch das Erscheinen von Lenz’ Kurzgeschichte "Leute von Hamburg" geplant.

Seine wichtigsten Werke im Überblick

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GERMANY-GOETHE PRIZE-LENZ
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Seufzen und hoffen

Lenz stammte aus Masuren in Ostpreußen, wo er am 17. Mai 1926 in der Stadt Lyck "unter ordentlichen Seufzern und Hoffnungen" auf eine Welt kam, in der bereits alles feststand, "ich hatte streng genommen keine Daseinsberechtigung, ich war überflüssig (...)", schrieb Lenz in "Selbstversetzung", seinen Betrachtungen über Leben und Schreiben: "Das vereitelte wohl den Selbstgenuss."

Als "moralisch kontrollierten Realismus", beschrieb Literaturwissenschafter Volker Bohn Lenz’ Stil: "Keineswegs unpolitisch, aber durch den Zeitgeist kaum irritierbar." Voraussetzung seines Schreibens sei, schrieb Lenz, "von sich abzusehen und die Identität in der Vorstellung zu wechseln." Der Autor müsse "sich aus dem Spiel nehmen."

Lenz, der prägnant, aber detailreich schrieb, bewunderte Hemingway und empfand zu ihm eine "gewaltsame Hingezogenheit", obwohl er "glaubte, manches von Dostojewski, einiges auch von Thomas Mann lernen zu müssen."

Antrieb und Anliegen

Erfahrungen in der Nazizeit – Lenz war in der Kriegsmarine – und das Leid des Zweiten Weltkrieges waren ihm Antriebsquellen, Versöhnung mit Polen und Solidarität mit Israel Anliegen.

"Die Deutschstunde" (1968) gilt als Schlüsselroman zur Aufarbeitung der Nazizeit und historischer Schuld. Ein Vater-Sohn-Konflikt, stellvertretend für die Kriegs- und die Folgegeneration sowie die fatalen Folgen unkritischen Pflichtbewusstseins in der NS-Zeit stehen im Zentrum und wurden erst im April dieses Jahres wegen der ambivalenten Rolle des Protagonisten erneut diskutiert.

Schon in den Fünfzigerjahren erreichte Lenz außergewöhnlich viele Leser – vor allem mit dem Erzählband "So zärtlich war Suleyken" (1955). "Die Deutschstunde" wurde zum Bestseller, die Fernsehverfilmung 1970 verstärkte die Nachfrage.

Das große Leserinteresse seiner Nachfolgeromane war proportional zur Skepsis mancher Kritiker und Kollegen.

"Mutlos wird man erst später", schreibt Lenz in der Erinnerung "Mein erster Roman" über "Es waren die Habichte in der Luft". Der 23-Jährige, damals Feuilleton-Redakteur bei der Welt, begann zu schreiben, "im Vertrauen darauf, dass die Erfahrungen, die ich in Krieg und Nachkrieg gemacht hatte, exemplarisch und deshalb mitteilenswert waren."

Eineinhalb Jahre arbeitete er daran, der Roman erschien in Fortsetzungen in der Welt, später bei seinem lebensbegleitenden Verlag Hoffmann und Campe. Mit seinem typisch trockenen Humor bemerkte Lenz zur Cover-Gestaltung einer Neuauflage, sie zeige "Vögel, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sperbern haben. Habichte sind es jedenfalls nicht."

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