Sieben Frauen suchen Wahrheit, Schuld und Sühne

Ewald Palmetshofer: „Die Inszenierung weiß immer mehr als der Text. Ich kann als Autor vieles nicht vorwegnehmen“
Ewald Palmetshofer über sein Stück "die unverheiratete", das am Sonntag uraufgeführt wird.

Drei Frauen, drei Generationen: In Ewald Palmetshofers Drama "die unverheiratete" verhandeln Mutter, Tochter, Enkeltochter den Umgang mit Schuld – zwischen NS-Justiz und Elektra-Motiven.

Maria, die Alte, kommt nach einem Sturz ins Krankenhaus, wo sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Vor einem antiken Rachechor muss sie sich für eine kurz vor Kriegsende begangene Denunziation verantworten. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart suchen die drei Frauen nach der Wahrheit in ihrer Familiengeschichte.

Diktatur

Der geborene Mühlviertler Palmetshofer, 36, arbeitet hier einen historisch belegten Fall auf, auf den er am Ende des Stücks hinweist: "Im April 1945, wenige Tage vor dem Ende der Nazidiktatur, wurde ein zwanzigjähriger oberösterreichischer Soldat aufgrund einer Denunziation als Deserteur zum Tod verurteilt und ermordet."

Palmetshofer hat für diese Geschichte, die ihn seit 15 Jahren beschäftigt, im Landesarchiv recherchiert, wo er Gerichtsmaterial, Zeitungsberichte und Polizeiprotokolle zu dem Fall ausgehoben hat. "Wenn man in österreichischen Familien forscht, wird man wahrscheinlich öfters solche Fälle finden", sagt Palmetshofer im Gespräch mit dem KURIER.

"Ich fand interessant, dass es hier um eine Täterin geht: Was bedeutet es, Frau zu sein innerhalb dieser NS-Ideologie, die den Frauen ja sehr deutliche Plätze zuordnet? Und was schreibt sich da in Familien ein? Wie gehen die Nachkommen mit dieser Spannung um: Einen Menschen als geliebten Menschen zu kennen und dann zu erfahren, dass es da noch eine andere Seite gibt – wie überbrückt man diese Kluft?"

Statt: "Großvater, was hast du getan?", stellt dieses Stück die Frage: "Großmutter, was hast du getan?" Die Jungen müssen sich mit den vergangenen Taten der Alten auseinandersetzen, deren Schlüsselsatz lautet: "Was nützt die Wahrheit, wenn man sie nicht glaubt, und wenn man selber seine Wahrheit hat, dann hält man für die Wahrheit das, was man schon selber weiß, da braucht man nach der Wahrheit gar nicht fragen."

"Da prallen zwei Wahrheitskonzepte aneinander", sagt Palmetshofer. "Die Junge hat einen objektiven Anspruch während die Alte in ihre Privatheit entfleucht".

Denunziation

In dieser Welt ohne Männer spiegelt Palmetshofer die Erzählung der Elektra aus der Orestie des Aischylos: "Elektra" sei für ihn im Lauf der Auseinandersetzung mit der wahren Denunziations-Geschichte zwingend geworden: "Bei diesem Hass zwischen Mutter und Tochter taucht der Name Elektra automatisch auf. Er geht auf eine Grundkonstante zurück: Dass eine Tochter-Mutter-Beziehung nicht automatisch auf Liebe gebettet ist. Diese Liebe ist in keiner natürlichen Ordnung hergestellt, sondern errungen und herbei geliebt. Das ist die Nullstelle, wo die beiden zu einander sagen: wer bist du mir, Mutter? Wer bist du mir, Tochter?"

Was es bedeutet, wenn diese sieben Frauen auf der Bühne sind und Männer nur als Stimmen vorkommen, das wird auch für Palmetshofer erst in der Aufführung sichtbar. "Die Inszenierung weiß immer mehr als der Text. Ich kann als Autor vieles nicht vorwegnehmen. Meine Texte sind keine Lesedramen, sondern Spieltexte, die sich nur auf der Bühne verwirklichen."

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